Zeitung für Schland

Von der „Israel-Lobby“ zur Diskurs-Lobby

Posted in Die üblichen Verdächtigen by Mr. Moe on Mai 8, 2008

Die von Mearsheimer und Walt in den USA aufgeworfene und in der Folge auch in Deutschland geführte Debatte um die „Israel-Lobby“ wird von Lorenz Jäger und Alan Posener, Kommentarchef der Welt am Sonntag, in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Internationale Politik fortgesetzt. Jäger, seines Zeichens bekannt für sein Beharren auf die Existenz einer „Israel-Lobby“ in Deutschland, untersucht hierbei, ob es eine „Diskurs-Lobby“ in der deutschen Publizistik gibt. Wesentliche Elemente seiner kruden Ausführungen werden von Posener zurecht als „antisemitische Verschwörungstheorie“ kritisiert, so dass an dieser Stelle nur einige ergänzende Überlegungen angeführt seien.

So scheint es sich jeglicher Logik zu entziehen, warum Jäger die Frage nach „einer realen Lobby und ihrem tatsächlichen oder eingebildeten Einfluss“ zugunsten der Frage nach einer „Diskurs-Lobby“ ausblendet, seine Argumentation dessen ungeachtet aber nicht mit der Untersuchung des öffentlichen Diskurses sondern mit der Zweigstelle des „American Jewish Committee“ (AJC) in Berlin beginnt. Diese sei Lorenz zufolge „nicht untätig“ – was auch immer sich hinter dieser verschleiernden Anmerkung verbirgt: dass AJC, da nebulös im Hintergrund agierend, vermag in jedem Fall nichts Gutes zu verheißen. Nicht zuletzt die Bezugnahme auf das AJC offenbart, wie konsturiert und künstlich die Ersetzung des Begriffs „Israel-Lobby“ durch „Diskurs-Lobby“ ist: Die Begriffe sind in Lorenz Ausführungen als synonym anzusehen.

Sieht man über dieses sprachlichen Wirrungen hinweg, fällt als nächstes Lorenz wahrlich hanebüchende Kritik an einer vom AJC in Auftrag gegebenen Untersuchung über das „Israel-Bild in den deutschen Medien“ auf. Lorenz mokiert sich darüber, dass die Studie vom „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ durchgeführt wurde, das mit „linksextremistischen“ Zeitschriften wie etwa den Antifaschistischen Nachrichten kooperiere. Bei solch geballter linker Kraft vermag das Ergebnis der Studie – in der deutschen Tagespresse vorhandene „antisemitische Diskurselemente“ – Lorenz dann auch nicht zu überraschen. Dass deutsche Tageszeitungen hin und wieder antisemitisch berichten, scheint Lorenz hingegen in keinerlei Bezug zur Realität zu sehen und demnach als lediglich den Köpfen linker Institute und jüdischer Organisationen entsprungene Phantasie anzusehen. Vielleicht sollte Lorenz die Zeitung für die er schreibt hin und wieder selber lesen (vgl. allein für die vergangenen zwei Tage etwa Stefan Dietrichs Schelte des Zentralrats der Juden in der FAZ auf Zeitung für Schland oder bei Heuschreck; von der Süddeutschen Zeitung und der Errichtung Israels auf „den Ruinen eines Volkes“ gar nicht zu sprechen).

Bei seiner Analyse der „Diskurs-Lobby“ identifiziert Lorenz vor allem „Begriffswaffen wie Islamofaschismus“ oder die „Kampfbegriffe“ Verschwörungstheorie oder Appeasement – nur auf die Auschwitz-Keule wartet der Leser vergebens. Die Folge dieser allzu plumpen Kritik liegt auf der Hand: Lorenz verliert kein Wort über die den Begriffen zugrunde liegenden Inhalte, wozu auch, stellen sie doch lediglich rhetorische Kniffe der publizistischen Gegner dar. Die vom amerikanischen Politologen Jeffrey Herf geäußerten „martialischen Töne gegen den Iran“ und dessen Kritik des „politischen Islamismus“ entlarvt Lorenz folglich auch prompt als den „mit antifaschistischer Rhetorik vorgetragene[n] Versuch, die Vergangenheit für aktuelle politische Zwecke nutzbar zu machen“. Über diese Zwecke schweig sich Lorenz verständlicherweise aus, vermutlich können sie beim AJC erfragt werden.

Abschließend kommt Lorenz zu dem Schluss, dass kein Weg an einer „genuin europäischen Nahost-Politik“ vorbeiführe. Oder anders ausgedrückt: Warten auf die Bombe.

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6 Antworten

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  1. […] Zeitung für Schland wrote an interesting post today on Von der "Israel-Lobby" zur Diskurs-LobbyHere’s a quick excerptDie von Mearsheimer und Walt in den USA aufgeworfene und in der Folge auch in Deutschland gefüh […]

  2. vaterlandslose-gesellen said, on Mai 13, 2008 at 8:41 pm

    ISRAEL ist ein Mauerstaat wie einst die DDR

  3. Alan Posener said, on Mai 19, 2008 at 8:58 am

    Mein Nachname schreibt sich „Posener“. Nicht „Posner“. Wäre dankbar, wenn Sie das berichtigen könnten.

  4. Mr. Moe said, on Mai 19, 2008 at 9:26 am

    Vielen Dank für den Hinweis. Ich bitte den Fehler zu entschuldigen und habe ihn korrigiert.

  5. […] am August 16th, 2008 Lorenz Jäger, der bekanntermaßen ganz gerne mal über den vermeintlichen Einfluss der “Israel-Lobby” jammert, heult sich in der F.A.Z. über einen “antirussischen Affekt in Europa” aus: […]

  6. Amos said, on September 4, 2008 at 6:29 pm

    Great post and interesting blog. How amusing that nearly 6 years after the Duisburg study was first released, Jäger is still harping about the „discourse lobby.“


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