Zeitung für Schland

Aus gegebenem Anlass

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on April 25, 2010

Aus gegebenem Anlass (s.u.) wurde der „Defending the Right to Offend“-Button auf der rechten Seite wieder eingeführt – natürlich in zeitgemäßer Form.

Die Islamisten haben gewonnen. Sie können sich brüsten, ein weltweit ausstrahlendes Fernsehnetzwerk eingeschüchtert zu haben: Die Folgen 200 und 201 der Zeichentrickserie „South Park“, die in den Vereinigten Staaten Mitte der Woche gelaufen sind, werden nicht mehr gezeigt. Nicht mehr in Amerika und auch nicht in den anderen Ländern, in denen „South Park“ im Programm ist. Auch auf den Internetseiten zur Serie, die eigentlich sämtliche Episoden vorhalten, kann man sich nicht mehr ansehen, welchen Reim sich die Macher von „South Park“, Trey Parker und Matt Stone, auf religiösen Wahn, Intoleranz und fanatische Bilderverbote machen. Dafür haben die Islamisten gesorgt, welche die Internetseite RevolutionMuslim.com bestücken und sich daran reiben, dass bei „South Park“ angeblich der Prophet Mohammed in einem Bärenkostüm auflief. […]

Kein Risiko eingehen will nun auch MTV, das hinter dem Programm von „Comedy Central“ steht. „MTV Networks hat sich entschlossen, die South-Park-Episoden 200 und 201 nicht auszustrahlen“, hieß es auf Anfrage dieser Zeitung, „wir haben diese Entscheidung mit großem Widerstreben getroffen. Wir glauben fest an kreative Ausdrucksfreiheit: Wir alle profitieren davon, wenn es einzigartigen und tiefgründigen Kreativen wie den Machern von South Park erlaubt ist, sich frei auszudrücken. Allerdings steht die Sicherheit unserer Angestellten für uns stets an erster Stelle, und so haben wir uns zu diesen Vorsichtsmaßnahmen entschlossen.“ [F.A.Z.]

Und während Michael Hanfeld im oben verlinkten Artikel fast noch zu vorsichtig von einem erneuten „Kniefall vor den Feinden der Pressefreiheit“ schreibt, fragt man beim Guardian bereits, ob die Macher von South Park nicht „Gone too far?“ seien.

Update: Auf der South Park Fanseite Planearium gibt es eine chronologische Zusammenfassung der Ereignisse sowie Hintergrundinformationen. Auf der Seite ist zudem ein CNN Interview mit Ayaan Hirsi Ali verlinkt, die bekanntlich unter Schutz leben muss und folgende simple Wahrheit ausspricht:

If the entertainment business were to take this on and show how ridiculous this is, there’ll be too many people to threaten. And at that time I won’t need protection and the gentlemen from South Park won’t need protection.

Worte der Woche (47)

Posted in Worte der Woche by Mr. Moe on März 11, 2010

Die Obama-Regierung dominiert die „Worte der Woche“-Kategorie nach wie vor. Der jüngste Kniefall:

„I understand my personal comments were perceived as a personal attack on the President [of Libya]. . . . These comments do not reflect U.S. policy and were not intended to offend. I apologize. . . . I regret that my comments have become an obstacle to further progress in our bilateral relations.“

Diese Worte entstammen P.J. Crowley, einem Sprecher des US-Außenministeriums. Anlass zur förmlichen Entschuldigung gegenüber Gaddaffi waren folgende Worte Crowleys, die er in Reaktion auf Gaddaffis Aufruf zum Dschihad gegen die Schweiz geäußert hatte:

Asked in late February about Colonel Gadhafi’s declaration of „a jihad“ against Switzerland, Mr. Crowley mused that the comment reminded him of the Libyan’s infamously long speech to the U.N. General Assembly last year. „Lots of words and lots of paper flying all over the place and not necessarily a lot of sense,“ he said.

Es ist nicht bekannt, ob US-Präsident Obama Crowley persönlich darauf hingewiesen hat, dass auch nur die leiseste Kritik an Diktatoren, Islamisten, Antisemiten und anderen Schlächtern Zeit seiner Amtszeit ein Tabu darstellt. Indes gibt der Erfolg der Obama-Regierung in diesem Fall recht, lässt Gaddaffi doch Gnade vor Recht ergehen:

Libya’s General People’s Committee for Foreign Liaison and International Cooperation yesterday issued a statement that Libya „accepts the apology and strong regret.“ It’s good to know that if the U.S. abases itself enough, Col. Gadhafi is willing to forgive.

Gratulation – alles richtig gemacht, Mr. President!

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Die Grenzen der Islamkritik-Kritiker

Posted in DIE ZEIT by Mr. Moe on Februar 5, 2010

Im Hinblick auf den seit einigen Wochen im deutschen Feuilleton geführten Streit über „Islamkritik“ und „Islamophobie“ hat sich Jens Jessen, Feuilletonchef der ZEIT, auserkoren, zu erklären, „warum in der hysterisch geführten Debatte derzeit so viel Verwirrung herrscht“. Als erwiesenermaßen sachliche und moralisch integere Instanz ist Jessen ist für diese Aufgabe wahrlich prädestiniert, wies er doch schon im Zuge eines in einer Münchener U-Bahn-Station brutal zusammen geschlagenen Rentners darauf hin, dass hierbei doch die „Kette einer unendlichen Masse von Gängelungen, blöden Ermahnungen, Anquatschungen“ zu berücksichtigen sei, „die der Ausländer, namentlich der Jugendliche, hier ständig zu erleiden hat“.

Ganz im Sinne Jessens aufklärerischen Auftrags ist neben seinem Artikel das berüchtigte Plakat der Schweizer Volkspartei (SVP) abgebildet, auf dem für ein „Ja zum Minarettverbot“ geworben wird. Da weder die SVP, noch das Minarettverbot in Jessens Artikel behandelt werden, stellt sich die Frage, welchen Sinn das Abbilden des Plakates hat, werden hierdurch doch alle Islamkritiker, die von Islamkritik-Kritikern wie Jessen im Übrigen ohnehin selten beim Namen genannt werden, in einen Topf geworfen. Jene Islamkritik-Kritiker, die fortlaufend darauf hinweisen, dass es „den“ Islam doch gar nicht gebe und dass peinlichst genau zwischen „Islam“ und „Islamismus“ zu unterscheiden, haben ihrerseits offenbar keine Scheu, von den Islamkritikern zu sprechen und sie unisono zu bekämpfen.

Zu Beginn seines Kommentars stellt Jessen die Frage, ob es „schon ein Zeichen von gefährlichem Appeasement“ gewesen sei, „dass der versuchte Anschlag auf den dänischen Mohammed-Karikaturisten eher resignativ hingenommen wurde“. Diese Frage hält Jessen offenbar für nichtig, nennt er den von Islamisten bedrohten Zeichner Kurt Westergaard doch nicht einmal beim Namen, sondern begnügt sich ähnlich wie bei den gewalttätigen Jugendlichen mit einem Verweis auf den vermeintlichen Akt der Provokation – die Gängelungen durch „Spießer“ respektive die Mohammed-Karikaturen -, ganz so als ob dieser letztlich, wenngleich auch keine vollständige Entschuldigung liefere, so doch für mildernde Umstände spräche. Für wichtiger erachtet Jessen ohnehin die folgende Frage:

Wie viel Dauerverdächtigung einer Weltreligion, die neben dem Terror noch viele andere Gesichter hat, kann sich der Westen leisten, ohne seine Freiheiten selbst zu untergraben, zu denen schließlich auch die Religionsfreiheit gehört?

Zunächst einmal ist es natürlich richtig, dass der Islam „neben dem Terror noch viele andere Gesichter hat“; Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde, Steinigungen und Geschlechtsapartheid in etwa. Doch Schwamm drüber, enthält Jessens Argumentation doch ein wesentlicheres Problem als den üblichen Kulturrelativismus deutscher Kulturjournalisten. Jessen behauptet nichts anderes, als dass die von ihm als „Dauerverdächtigung“ bezeichnete Kritik am Islam unmittelbar und zwangsläufig mit einem Abbau von Freiheiten, insbesondere der Religionsfreiheit verbunden sei. Dies ist, vorsichtig formuliert, eine gewagte These, wird doch faktisch kein Muslim in der westlichen Welt daran gehindert wird, seinen Glauben frei auszuüben. Darüber hinaus ist auch nicht bekannt, dass namhafte „Islamkritiker“, die von Jessen freilich nicht namentlich genannt werden, ein generelles Verbot des Islams fordern. Diese Gegebenheit scheint Jessen auch zumindest zu erahnen, wenn er im Folgenden schreibt:

Denn zu dem Angebot, das der Westen der Welt und die westlichen Staaten in ihren Verfassungen dem Bürger machen, gehört nun einmal, dass seine Freiheiten universell gelten sollen, nicht nur dem Angehörigen der eigenen, ursprünglich christlich geprägten Kultur, sondern jedem, der sich an Recht und Gesetz hält.

Wer nun von Jessen Belege für die implizit enthaltene These erwartet, dass Islamkritiker Muslimen jene universellen Freiheiten, absprechen wollten, wird enttäuscht. Stattdessen fällt auf, dass Jessen nicht einmal in der Lage ist, den „Streit, der hierzulande unter anderem zwischen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung tobt“, auch nur korrekt wiederzugeben. Schließlich wurde in jeder einigermaßen ernstzunehmenden großen überregionalen deutschen Tageszeitung wie der F.A.Z., der WELT oder der taz sowie auch in der Süddeutschen Zeitung einvernehmlich gegen „Hassprediger“ und „heiligen Krieger“ gewettert. Der von Jessen vermeintlich ausgemachte Konflikt zwischen konservativen und linksliberalen Medien ist indes ein Mythos, der eher auf das Weltbild des Verfassers, denn die Realität schließen lässt. Angesichts dessen verwundert es auch nicht, dass Jessen die seiner Auffassung nach entscheidende Frage nicht nur falsch beantwortet, sondern bereits falsch stellt:

Was ist schlimmer, den Islam zu verharmlosen oder zu verteufeln? Es liegt auf der Hand, dass der Streit auf dieser Ebene, die vor allem eine des persönlichen Lebensgefühls ist, nicht entschieden werden kann.

Außer Jessens als „persönliches Lebensgefühl“ gekleideten moralischen Relativismus liegt der obige Sachverhalt ebenso wenig auf der Hand wie Jesses nachfolgende Behauptung:

Es liegt ebenfalls auf der Hand, dass man prominenten Islamkritikern wie Necla Kelek, die selbst der islamischen Welt entstammen, keine westliche Arroganz unterstellen kann.

Warum die seit Jahrzehnten im Westen lebende, jedoch der islamischen Welt entstammende Necla Kelek grundsätzlich nicht in der Lage sein soll, „westliche Arroganz“ – was auch immer das sein mag, vermutlich ist das Gegenteil von Kulturrelativismus gemeint – auszustrahlen, bleibt Jessens Geheimnis. Sich der Implikation seiner eigenen Aussage nicht bewusst seiend, entblödet sich Jessen weiter unten nicht, bei – namentlich einmal mehr nicht näher spezifizierten – Islamkritikern „die Logik des Rassismus“ auszumachen:

Einen Muslim allein schon seines Glaubens halber als potenziellen Attentäter zu betrachten entspricht der Haltung, mit der seinerszeit alle Sinti und Roma für Diebe gehalten wurden. Es ist die Logik des Rassismus.

Wer eins und eins zusammenzählen kann, kommt folglich gemeinsam mit Jessen zu dem Schluss, dass Necla Kelek zwar qua ihrer muslimischen Herkunft nicht „westlich arrogant“ sein kann, dafür aber Rassistin ist.

In Folge stellt Jessen zurecht fest, dass die offene Debatte selbst „der beste Beweis für die unangefochtene Praxis westlicher Meinungsfreiheit“ sei, nur um anschließend zu fordern:

Allerdings sollte die Debatte von Unterstellungen frei bleiben; keiner, der die Konstruktion eines islamischen Feindbildes fürchtet, hat jemals Sympathie für Gewalttäter geäußert oder gar die Bereitschaft zur vorauseilenden Unterwerfung unter die Scharia zu erkennen gegeben.

Karl Kraus ist das Diktum zu verdanken, dass es Dinge gibt, die so falsch sind, dass nicht einmal das Gegenteil wahr ist. Natürlich bekundet kein deutscher Feuilletonist offen Sympathie für Islamisten, auch wenn einige in den Medien hofierte deutsche Islamwissenschaftler durchaus dazu neigen. Gleichwohl relativieren deutsche Journalisten islamistische Gewalttaten fortlaufend; sei es, indem sie Armut und Unterdrückung als Legitimierung und Rationalisierung geltent machen, sei es, indem sie die islamistische Gewalttaten mit anderen, nicht-gewalttätigen Handlungen vergleichen. Dieses letzteren Vergehens macht sich Jessen selbst auf bemerkenswerte Art und Weise schuldig:

Vielleicht empfiehlt es sich, die Internetseite „Achse des Guten“, die besonders großzügig mit solchen Unterstellungen arbeitet, aus der Debatte herauszuhalten. Sie hat sich eher als Achse des Bösen gezeigt. Sie ist nicht an Aufklärung interessiert, sondern will den Westen in eine dem Islamismus analoge Hassposition emporpeitschen. Indes: die Barbarei mit den Mitteln der Barbarei zu bekämpfen ist keine Option für den Westen.

Während Jessen oben noch die „offene Debatte“ lobend hervorhob, fordert er hier unverblümt, einige Teilnehmer an der Debatte a priori aus dem Diskurs auszuschließen. Dies ist gleich in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wird von Jessen und seinesgleichen gemeinhin appelliert, mit sämtlichen Terroristen, Islamisten und Antisemiten der Welt Gespräche und Verhandlungen zu führen. Just dieser Stunden debattieren westliche Politiker mit dem Außenminister eines durch und durch antisemitischen und islamfaschistischen Regimes, ohne das gegen dieses ungeheuerliche Vorgehen nennenswerter Protest in deutschen Medien zu vernehmen ist. Zum anderen stößt auf, dass Jessen die Autoren der „Achse des Guten“ der „Barbarei“ bezichtigt und somit Islamismus, jene Ideologie, die das Köpfen von Geiseln, das Steinigen von Homosexuellen und Ehebrechern, die Ermordung von Zivilisten etc. pp. nicht nur gutheißt, sondern propagiert, die wahre Barbarei also, mit dem Schreiben von Texten nicht nur vergleicht, sondern explizit gleichsetzt. Demnach liegt auf der Hand – um sich einer von Jessens Lieblingsformulierungen zu bemühen -, dass Jessen über keinen Begriff der Barbarei verfügt, was wiederum damit einhergeht, sich zum Werkzeug selbiger zu machen. Folgerichtig vermag es nicht zu überraschen, dass Jessen mit den üblichen Forderungen der „Lefty, Liberal, Multicultural, Appeasement Monkeys“ schließt:

Wir müssen den Islam verstehen. Nichts ist törichter, als die Verweigerung von Verständnis für einen Ausweis von Stärke zu halten oder für eine Bedingung der kämpferischen Verteidigung des Westens.

In dem Vorhaben, einerseits den Islam, den es ja eigentlich gar nicht gebe, zu verstehen und möglichst genau zu differenzieren sowie andererseits jegliche Islamkritik pauschal abzuwatschen, wird Jessen von Thomas Assheuer sekundiert, der erläutert, „warum es schwer fällt, die Islamkritiker als legitime Erben der Aufklärung zu bezeichnen“. Das liest sich dann etwa so:

Bei aller begründeten Furcht vor islamistischem Terror wird indes niemand behaupten können, in Europa sei die Freiheit ernsthaft in Gefahr.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Assheuers Gesinnungsgenosse Jessen, wenngleich auch aus gänzlich anderen Gründen, im neben Assheuers Artikel abgedruckten Kommentar eben jenes tut, wenn er Islamkritikern vorwirft, religiöse Freiheiten zu untergraben. Wie so oft, wenn ein Kommentator darum bemüht ist, Ursache und Wirkung zu vertuschen, muss zudem abschließend auch noch die altbewährte Spirale herhalten:

Der Scharfmacher wittert überall den Feind und macht zwischen Islam und Islamismus keinen Unterschied. Jedes Attentat bestätigt ihm die Niedertracht der Religion und die Großartigkeit seiner eigenen säkularen Vernunft. So findet die Spirale der Verfeindung kein Ende, und das bedeutet Krieg bis zum Jüngsten Tag. Das ist nicht Aufklärung, das ist ihr Ende.

Quellen: Jens Jessen: „Die Grenzen der Toleranz“ sowie Thomas Assheuer: „Die Grenzen der Vernunft“, in: DIE ZEIT vom 4. Februar 2010, S. 46.

Wider den Wahn

Posted in Deutsche Zustände by Mr. Moe on Januar 24, 2010

Kein Jude in diesem Land musste jemals solche seelischen Qualen erleiden wie ich.

So beschrieb Sedika Weingärtner ihre Behandlung im Büro in einem Brief an ihren ehemaligen Arbeitsgeber Siemens. Was war der Grund für Weingärtners Vorwurf?

„Weil eine andere Frau meinen Job übernehmen sollte, wurde ich von zwei meiner Vorgesetzten systematisch fertig gemacht“, sagt Weingärtner, die mit dem Nürnberger Kunsthistoriker Helge Weingärtner verheiratet ist. Man habe sie von Besprechungen ausgeschlossen, mit einem alten PC abgespeist, in ein kleines Büro gesetzt und mit übermäßig viel Arbeit eingedeckt. Für Weingärtner Formen von „subtiler Gewalt“. Nach einer Baby-Pause sei alles noch schlimmer geworden. Beschimpft habe man sie, Worte wie „Dreck“ und „Schlamperei“ seien häufiger gefallen.

Ohne Zweifel keine schönen Zustände und Anlass zu berechtigter Klage. Handelt es sich bei Weingärtners „Auschwitz-war-nur-ein-schlechtes-Büro“-Aussage darüber hinaus um den abenteuerlichsten Vergleich, der je in einer deutschen Zeitung publiziert wurde? Keine Frage.

Wichtiger als die überaus berechtigte Kritik an Weingärtner (und ggf. Siemens) ist jedoch, die Aussage der „Siemens-Überlebenden“ im Kontext des derzeitigen öffentlichen (Vergleichs-)Diskurs zu betrachten: Führende Antisemitismusforscher Deutschlands entblöden sich nicht, Antisemitismus und „Islamophobie“ öffentlich gleichzusetzen. Kommentatoren führender deutscher Tageszeitungen machen in „Islamkritikern“ und Vertretern aufklärerischer Werte „Fundamentalisten“ und „heilige Krieger“ aus. Manch ein Journalist hält gar dänische Karikaturisten für „mindestens genauso verblendet“ wie axtschwingende Islamisten.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass im Fall Weingärtner in der SZ bereits von einer „angeblichen Verharmlosung des Holocaust“ zu lesen ist – man ist geneigt zu fragen, was man in Deutschland im Jahr 2010 denn sagen müsste, um den Holocaust tatsächlich zu verharmlosen?

Auch wenn sich in der leider offenbar zwingend notwendigen Debatte Stimmen der Vernunft wie Necla Kelek, Hamed Abdel-Samad, Thierry Chervel, Reinhard Mohr und den üblichen Verdächtigen zu Wort melden: es darf sich darauf eingestellt werden, dass Weingärtners unsäglicher Vergleich nur der vorläufige Höhepunkt eines nicht enden wollenden relativistischen Wahns darstellt. Warum dagegen anzukämpfen ist, erklärt Stephan Grigat:

Es geht heute darum, die bürgerlichen Freiheiten von Leuten wie Ayaan Hirsi Ali zu verteidigen, die den Propheten einen perversen Tyrannen nennt, von Hip-Hopern, die Jesus als Bastard titulieren, und von israelischen Poplinken, die verkünden, dass der Messias nicht kommen wird. Die Frage, warum die beiden Letztgenannten ähnlich wie Manfred Deix mit Kritik, Empörung und schlimmstenfalls mit aberwitzigen strafrechtlichen Konsequenzen leben müssen, Ayaan Hirsi Ali aber mit Morddrohungen und Kurt Westergaard mit Mordversuchen konfrontiert sind, lässt sich nur erklären, wenn in Zukunft versucht wird, die entscheidenden Unterschiede zwischen den Religionen und ihrer jeweiligen Funktion in den heutigen Gesellschaften zu thematisieren, anstatt in einen abstrakten Wald- und Wiesenatheismus zu verfallen, dem alles eins ist.

Update: Schade, dass das Jahr noch so jung ist, denn so wird die Phrase „bester Text des Jahres“ der jüngsten Breitseite Broders gegen das deutsche Feuilleton bei weitem nicht gerecht. Unbedingte Leseempfehlung!

Wer hat noch nicht, wer will nochmal?

Posted in Die üblichen Verdächtigen by Mr. Moe on Januar 19, 2010

Nachdem sich die „tapfere kleinere Minderheit“ der Islamkritikerkritiker, wie Thierry Chervel vom Perlentaucher treffend festgestellt hat, bereits in der taz, ZEIT, Süddeutschen, F.A.Z. und F.A.S. austoben durfte, hat der Wahn jetzt auch die Welt erreicht. Till-R. Stoldt bemängelt in einer „Analyse“, dass Islamkritiker wahlweise über zu wenig „Sachverstand“ oder „Differenzierungswillen“ verfügten. Stoldt stellt diesen „Apokalyptikern“ und „Gehässigen“ daher folgendes durch Sachverstand und Differenzierungswillen glänzende Zeugnis aus:

Weil sie aber glauben, weit mehr als nur ein Körnchen erfasst zu haben, bleibt leider nur ein Urteil über sie zu fällen: Ihr Weltbild taugt zum ideologischen Fundament für Massendeportationen, religiösen Reinigungswahn und unendliches Leid. Aus diesem Grund verdienen sie auch Aufmerksamkeit. Weil wir nicht zulassen dürfen, dass der partiell verständliche Unmut angesichts der Zuwanderung aus muslimischen Ländern in fanatische Kanäle gelenkt wird.

Mit Ausnahme Thilo Sarrazins, der ja bekanntermaßen überwältigenden Zuspruch in allen größeren Zeitungen erhielt, vermeidet es Stoldt, die seiner Ansicht nach offenbar zu einem Problem gewordenen „Apokalyptiker“ und „Gehässigen“ namentlich zu nennen. Folglich liegt die Vermutung nahe, dass hier einfach ein weiterer Journalist zu viel Wolfgang Benz gelesen hat und nicht in der Lage ist, aufklärerische und dringend gebotene Islamkritik von bloßer Fremdenfeindlichkeit zu unterscheiden – denn ein Drittes, etwa in Form einer „Islamophobie“, gibt es nicht.

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Westerwelle macht den Obama

Posted in Deutsche Zustände by Mr. Moe on Januar 9, 2010

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat Saudi-Arabien besucht und dabei die Journalisten von SPIEGEL ONLINE merklich beeindruckt:

Saudi-Arabien ist eines der konservativsten Länder der Welt. Hier herrscht strikte Geschlechtertrennung, Homosexuelle müssen im Extremfall den Tod fürchten. Nun reiste Außenminister Westerwelle nach Riad und bewies, dass ein schwuler Politiker in der islamischen Welt deutsche Interessen vertreten kann.

Zunächst wäre es interessant zu erfahren, was „konservativ“ eigentlich mit Geschlechtertrennung und der Ermordung Homosexueller zu tun haben soll. Saudi-Arabien wäre jedenfalls mit dem Wort „islamfaschistisch“ doch besser getroffen worden, aber dieser Begriff ist bei deutschen Journalisten vermutlich als „islamophober“ Kampfbegriff verschriehen. Schwamm drüber, ist „konservativ“ ja schließlich nicht verharmlosend  gemeint, ist dieser Begriff doch für links-liberalen Journalisten (fast) so negativ konnotiert wie „George W. Bush“ oder gar „Israel“.

Wie dem auch sei, Westerwelle habe SPON zufolge jedenfalls das Kunststück vollbracht, das Thema „Menschenrechte“ – insbesondere „mehr Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben“ – gegenüber seinem Gastgeber zumindest durch die Blume anzusprechen, ohne dabei „deutsche Interessen“ – die wirtschaftliche Beziehungen – nachhaltig zu gefährden:

Also sprach er sie [Westerwelle die Menschenrechtsfrage, Mr. Moe] verklausuliert an. Es habe durchaus auch Meinungsunterschiede gegeben, sagte er. Man habe ausführlich über die Menschenrechte gesprochen, auch über religiöse Pluralität. Prinz Saud erwiderte, die Welt brauche auch Differenzen, die auf unterschiedlichen Wertesystemen beruhten. Jeder wusste, worum es ging, ohne dass das Thema ausdrücklich erwähnt wurde.

Während man sich bei SPON darüber freut, dass Westerwelle in Saudi-Arabien trotz seiner Homosexualität „ernst genommen“ worden – mit anderen Worten: nicht ausgepeitscht oder gleich hingerichtet – worden sei, muss Prinz Saud dafür gedankt werden, da er jenen moralischen Relativismus unverblümt ausspricht, den SPON, die Süddeutsche Zeitung und die ZEIT täglich und wöchentlich in die Welt posaunen und gemäß dessen es in manchen Kulturen nun einmal üblich sei, Homosexuelle hinzurichten und Frauen zu unterdrücken. Selbiger Relativismus zeigte sich im Übrigen auch bei Westerwelles Besuch in der Türkei:

Bevor Westerwelle in die Türkei fuhr, ließ das Außenministerium bei deutschen Diplomaten nachfragen, ob Westerwelle seinen Lebensgefährten mitbringen werde. Bei seinem Italien-Besuch hatte er das getan. Protokollarisch wäre das für Ankara nicht ganz einfach geworden. Aber die deutsche Seite konnte den Türken mitteilen, dass der Minister allein kommen werde.

Angesichts eines solchen Taktgefühls ist Joachim Steinhöfel zuzustimmen, wenn er über Westerwelles Besuch in Saudi-Arabien schreibt:

Zweifelsfrei ist aber, dass etwas gehörig schief läuft, wenn die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth Westerwelle attestiert, er [Westerwelle, Mr. Moe] habe „vernünftig und mit Weitblick agiert“. Einen zuverlässigeren Kompass dafür, dass genau das Gegenteil richtig ist, hat die deutsche Politik kaum aufzubieten.

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Auch im neuen Jahr: Die ZEIT vs. Israel

Posted in DIE ZEIT by Mr. Moe on Januar 3, 2010

Anlässlich des Jahreswechsels hat Claudio Casula bei Spirit of Entebbe folgende Vorhersage für das neue Jahr getroffen:

Da keinerlei Aussicht besteht, dass die Idiotie im kommenden Jahr zurückgeht, im Gegenteil zu konstatieren ist, dass das antisemitische Gesummse noch dummdreister und bösartiger zu Werke geht denn je, wird uns auch 2010 der Stoff nicht ausgehen.

Mag diese Prognose auch nicht allzu gewagt gewesen sein, ist es doch bemerkenswert, dass sie sich gleich in der ersten Ausgabe der ZEIT des Jahres 2010 mit Nachdruck erfüllt hat. Den Ruhm hierfür darf sich einmal mehr Michael Thumann auf die Fahnen schreiben, der seinen medialen Kampf gegen Israel in den Diensten der ZEIT offenbar auch im neuen Jahr fortführen darf. Den Ausgangspunkt hierfür bildet folgende auf den Nahen und Mittleren Osten bezogene Frage, die Thumann gemeinsam mit seinem Kollegen Ulrich Ladurner stellt:

Ist wirklich der Islam schuld daran, dass kein Frieden herrscht?

Wer könnte nun besser geeignet sein, diese Frage ausgewogen zu untersuchen, als jene beiden Journalisten, die sich in der Vergangenheit wahlweise als „Israelkritiker“, Terrorismusversteher und Apologeten des iranischen Regimes betätigt haben sowie – im Falle Thumanns – der Meinung sind, dass sich US-Präsident Barack Obama stellvertretend für die von seinem Land begangenen Verbrechen an der muslimischen Welt bei den Diktaturen und Autokratien des Nahen und Mittleren Ostens zu entschuldigen habe?

Eine Vorwarnung

Um es vorwegzunehmen: die Frage, ob denn „wirklich“ der Islam verantwortlich dafür sei, dass kein Frieden im Nahen und Mittleren Osten herrsche, ist rein rhetorischer Natur. Ihre Beantwortung steht für Thumann und Ladurner a priori fest und ist folglich gegen jegliche möglicherweise widersprechenden empirische Evidenz resistent. Hinzu kommt, dass Thumann und Ladurner Paradebeispiele für jene Art von Kommentatoren darstellen, die Muslime ausschließlich als reagierende Objekte, niemals jedoch als eigenständig agierende Subjekte zu betrachten pflegen, so dass „der Islam“ schon per definitionem von jeglicher etwaiger Verantwortung freigesprochen wird.

Wer als Leser damit rechnet, auf die von den Autoren selbst gestellte Frage eine, wenn nicht schon gut begründete, so doch wenigstens explizite Antwort zu erhalten, wird wahlweise enttäuscht oder verzückt sein. Unterm Strich begnügen sich Thumann und Ladurner damit, jenes Bild der „Realität“ im Nahen Osten zu skizzieren, das ZEIT-Lesern durch die Lektüre der ZEIT im Allgemeinen und der Artikel der beiden Autoren im Speziellen doch ohnehin bereits bestens vertraut sein dürfte.

Aufgebaut ist die Suche nach der Antwort auf die Frage, ob der Islam denn wirklich das Hindernis für Frieden im Nahen und Mittleren Osten sei, wie folgt: zunächst wird sich ausgiebig dem Lieblingsthema und Spezialgebiet aller deutschen Nahostkorrespondenten gewidmet – dem arabisch-israelischen Konflikt. Anschließend geht es über Afghanistan und Pakistan in den Irak sowie zum Abschluss in die Türkei und um die Kurden. Für diese Reise stehen Thumann und Ladurner zwei komplette Seiten der ZEIT zur Verfügung, entsprechend umfangreich ist der Artikel. Da jedoch bereits der offensichtlich von Thumann verfasste Abschnitt über den arabisch-israelischen Konflikt eine beeindruckende Menge an Unwahrheiten und Unterlassungen enthält, wird sich in Folge auf diesen Teil beschränkt.

Jüdische „Siedlungen“ und die Unmöglichkeit des Friedens im Nahen Osten

Als Einstieg wählt Thumann Gilo, jenen Vorort von Jerusalem, den Thumann im Einklang mit anderen westlichen und deutschen Kommentatoren wiederholt und fälschlicherweise als „Siedlung“ deklariert hat:

Weiß leuchtend, massiv aufragend und wie für die Ewigkeit gebaut – das ist Gilo. Die jüdische Siedlung zwischen Bethlehem und Jerusalem liegt inmitten von Feldern auf einem Hügel. Gilo ist jene Siedlung, die mehr als jede andere für die Unmöglichkeit des Friedens in Nahost steht.

Auch wenn es für Thumann offenbar keinen Unterschied macht, handelt es sich bei Gilo, wie bereits erwähnt, nicht um eine „Siedlung“, sondern um einen Vorort von Jerusalem. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass Thumann Gilo als „jene Siedlung“ ansieht, die „mehr als jede andere für die Unmöglichkeit des Friedens in Nahost steht“. Diese Formulierung impliziert, dass Thumann prinzipiell jede jüdische „Siedlung“ für die „Unmöglichkeit des Friedens“ verantwortlich zeichnet und selbige demnach als Hauptproblem im Nahen Osten ansieht.

Konsequent setzt Thumann in Folge die in den ersten Sätzen des obigen Zitats begonnene Dämonisierung israelischer respektive jüdischer Siedlungen – „weiß leuchtend, massiv aufragend und wie für die Ewigkeit gebaut“ – fort:

Hier, auf palästinensischem Boden, will die israelische Regierung 900 neue Wohnblocks bauen lassen. Aus der ganzen Welt hagelt es Proteste. In Jerusalem kommt das nur als lässliche Mäkelei aus weiter Ferne an. Bald schon werden Bauarbeiter dort oben in Stellung gehen wie Soldaten.

Thumanns Methode ist ebenso simpel wie weit verbreitet und wirksam: falsche Begebenheiten werden durch endlose Wiederholung zu vermeintlichen „Tatsachen“ (v)erklärt. Folge dieses seit Jahrzehnten überaus erfolgreich angewandten Vorgehens ist, dass jüdische „Siedlungen“ im Westjordanland – oder bisweilen gar Jerusalem, siehe oben – im öffentlichen Diskurs einheimlich einvernehmlich als „illegal“ bezeichnet werden, was auch Thumanns suggeriert („auf palästinensischem Boden“). Gleichwohl ist diese Auffassung zumindest diskussionswürdig, wenn nicht gar schlichtweg falsch, wie etwa der amerikanische Rechtswissenschaftler David M. Phillips in der Dezember-Ausgabe des Commenary Magazines ausführlich darlegt (mittlerweile auch in deutscher Übersetzung nachzulesen).

Hinzu kommt, dass Thuman Fakten, die dem Narrativ landraubender Juden widersprechen, einfach nicht erwähnt. So erfahren die werten Leser der ZEIT beispielsweise nicht, dass die Jerusalemer Stadtverwaltung zeitnah den Bau 5.000 neuer arabischer Wohneinheiten in Jerusalem verkündet hat, die für Thumann wie den Rest „der ganzen Welt“ offenbar kein Problem darstellen. Statt sich und seine Leser jedoch unnötig zu verunsichern, widmet sich Thumann lieber einer bildlichen Beschreibung seiner Auffassung der Verhältnisse im Nahen Osten:

Gilo – das wirkt von unten, aus der Perspektive der Palästinenser im Tal, wie eine unerreichbare Festung. Von ihrem Lager aus sehen Flüchtlinge nur die Dächer der Siedlung hinter einer hohen Mauer, die Bethlehem von Jerusalems Vororten trennt.

„Unten“ im Tal, in „Lagern“ hausen die armen Palästinenser – jeder von ihnen ein Flüchtling, ganz gleich wo und wann geboren. Oben hingegen, aus sicheren „Festungen“ verächtlich herabschauend und „weiß leuchtend“ und „massiv aufragend“, die Juden. So platt sie auch sein mag, die Strategie geht auf: ohne sich auf handfeste Argumente stützen zu müssen, hat der Leser ein eindrückliches und aufgrund seiner emotionalen Eindeutigkeit jeglichen Widerspruch von vornherein negierendes illustratives Verständnis der Lage gewonnen. Von dieser Grundlage ausgehend lässt sich die weitere Geschichte mit Leichtigkeit erzählen.

„Die Mauer“

Insbesondere die oben bereits erwähnt „hohe Mauer“ scheint Thumann nachhaltig zu beschäftigen:

Die Mauer, an manchen Stellen bis zu acht Meter hoch, zieht sich über alle Hügel, sie trennt Nachbarn von Nachbarn, Kinder von Schulen, Landbesitzer von ihren Grundstücken.

Erneut wird ein deutliches Bild gezeichnet, ohne den Geist lediglich unnötig quälende Tatsachen anzuführen. So verschweigt Thumann in diesem Zusammenhang, dass Ägypten, im Nahen Osten, an der Grenze zum Gazastreifen, eine Mauer baut, mit der Thumann offenbar jedoch keine Probleme hat. Dies ist umso erstaunlicher, ist Ägypten doch mehrheitlich von Angehörigen jener Religion bewohnt, die – es sei daran erinnert – ja eigentlich im Mittelpunkt des Artikels stehen sollte. Überdies verschweigt Thumann ebenso, dass die israelische „Mauer“ eigentlich zu mehr als 95% ein Zaun ist, was sich zugegebenermaßen weniger eindrucksvoll und bedrohlich liest als „an manchen Stellen bis zu acht Meter hoch“. In jedem Fall lässt die „Mauer“ Thumann offenbar keine Ruh:

Wozu eine Mauer? Soll sie Israelis vor Palästinensern schützen?

Wer erwartet, nun ein „ja, natürlich, was denn sonst?“ zu lesen, wird enttäuscht:

Israelische Behörden haben den Wall nach der zweiten Intifada von 2000 hochgezogen. Als Schutz vor Terroristen, hieß es damals. Doch ginge es um den Schutz allein, würde die Mauer nicht mitten durch das Palästinensergebiet führen.

Thumann verschweigt, dass „die Mauer“, von wenigen topographisch oder strategisch notwendigen Abweichungen abgesehen, entlang der „grünen Linie“ verläuft und somit entgegen seiner Behauptung nicht „mitten durch das Palästinensergebiet“ verläuft. Thumann erwähnt auch nicht, dass es ähnliche Sicherheitsvorrichtungen in zahlreichen anderen Ländern gibt, ohne das sie dort als bedeutsame Hindernisse für Frieden angesehen würden. Schlussendlich erwähnt Thumann wohlweislich nicht, dass der Sicherheitszaun den Thumann zufolge lediglich vorgeschobenen Zweck des Schutzes überaus gut erfüllt und terroristische Anschläge seit seiner Errichtung deutlich zurückgegangen sind.

Unterm Strich drängt sich demnach die Schlussfolgerung auf, dass Thumann den Schutz jüdischen Lebens vor Terroranschlägen allem Anschein nach nicht als bedeutsame oder auch nur legitime Zwecksetzung ansieht. Für diese Interpretation liefert Thumann zudem im Verlauf des Textes weitere Belege, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird.

Der „Kampf um Land“

Vorerst verkündet Thumann seinen Lesern jedoch noch den wahren Zweck, warum die Juden eine „Mauer“ gebaut haben:

Es geht hier um ein Nullsummenspiel der nahöstlichen Art, so profan wie existenziell zugleich: Dehnt sich der eine aus, verliert der anderer. Baut der eine, muss sich der andere von Weiden, Feldern und Baugrund zurückziehen.Der Streit geht um Häuser, um Grundstücke, um Straßen, um Viertel und ganze Städte. Es ist ein Kampf um Land.

Erneut wendet Thumann die hohe Kunst des Verschweigens und Unterlassens an, dieses Mal in Verbindung mit einem besonders feinen rhetorischen Kniff: hat Thumann bislang doch ausschließlich Israel als handelnden Akteur auftreten lassen, wechselt er hier plötzlich auf eine abstrakte Ebene und schreibt etwas nebulös von „dem einen“ und „dem anderen“. Aus dem bisher von Thumann geschriebenen kann sich der ZEIT-Leser allerdings an einer Hand abzählen, dass eigentlich nur „der eine“ – der Jude – das Problem im „Kampf um Land“ darstellt. Die Fakten sprechen gewiss eine andere Sprache, ist doch bereits heutzutage ein Fünftel der israelischen Bevölkerung arabisch, Tendenz steigend. Des Weiteren geht es „dem einen“ – Israel – nur um einen Teil des Landes, während nach wie vor ein bedeutsamer Anteil „der anderen“, der Palästinenser, das gesamte Land beansprucht. Kurz: die Mehrheit der Israelis akzeptiert sowohl die Präsenz von Arabern in Israel als auch – zumindest: im Prinzip – die Schaffung eines eigenen palästinensischen Staates im Nahen Osten. Ob die Mehrheit der Palästinenser Juden in einem etwaigen eigenen Staat akzeptieren würde, erscheint indes zumindest fragwürdig und es dürfte als erwiesen gelten, dass viele Palästinenser keinen jüdischen Staat im Nahen Osten tolerieren, was sich nicht zuletzt durch die nach wie vor hohe palästinensische Befürwortung von Terroranschlägen auf israelische Zivilisten zeigt.

Was Thumann als abstraktes „Nullsummenspiel“ bezeichnet, ist demzufolge genau genommen – vereinfacht gesagt – ein Kampf ums Überleben für „die einen“, während es sich für einen erheblichen Teil „der anderen“ um einen bisweilen latenten, bisweilen manifesten Vernichtungsfeldzug handelt.

Die Entsubjektivierung einer ganzen Region

Nachdem Thumann sein Verständnis der derzeitigen Lage im Nahen Osten –  überwiegend: bildlich – dargelegt hat, widmet er sich der weltpolitischen Bedeutung des Konflikts:

Der ewige Streit um Jerusalem etwa verpestete eine ganze Region, er beschäftigt die Großmächte, er könnte sogar die Welt in Brand setzen. Jede zerstörte palästinensische Wohnung, jedes neu gebaute Haus jüdischer Siedler, jeder Racheakt von Palästinensern landet als Streitpunkt in kürzester Zeit auf den Tischen von Präsidenten, Premiers und Königen – in Riad, Berlin, Teheran, London oder Washington.

Erneut zeigt Thumann eindrucksvoll, in welche Richtung seine Hasen laufen: Juden zerstören palästinensische Wohnungen und bauen Häuser, wobei Letzteres offenbar (auch) als Verbrechen angesehen wird. Palästinenser – Angehörige jener Religion, um die es usw. usf. – rächen sich indes nur dafür, sie agieren in Thumanns Welt jedoch niemals aus eigenem Anlass. Diesem Verständnis nach lässt sich jeder Anschlag auf jüdische Zivilisten und Kinder im Jahr 2010 als bloße Reaktion auf 60 Jahre israelische Politik respektive (die noch weitaus längere) jüdische Präsenz im Nahen Osten rechtfertigen.

Dem Narrativ ausschließlich reagierender Araber und anderer Muslime folgend verkennt Thumann, dass der „Streitpunkt“ nicht einfach so auf den „Tischen“ in Riad oder Teheran landet, sondern von jenen Tischen aus seit Jahrzehnten bewusst geschürt und als Ablenkung für eigenes (innen-)politisches Versagen instrumentalisiert wird. Diese Begebenheit ist angesichts der Realität schwer zu leugnen und läuft zudem Thumanns grundlegender Argumentation entgegen, da sie Muslime als eigenständig handelnde Subjekte auffasst. Folglich bleibt sie unerwähnt und Thumann begibt sich lieber schleunigst in vertrautere Gefilde:

Nirgendwo heizt Lokalpolitik so schnell die Weltdiplomatie an wie in Jerusalem und im Westjordanland. An diesem Konflikt hat die ganze Erde teil, auch wenn sie oft genug nicht mehr davon hören kann.

Wie durch ein Naturereignis wird die „Weltdiplomatie“ durch den arabisch-israelischen Konflikt „angeheizt“, von bewusst zündelnden Akteuren ist keine Rede – es sei denn, es handelt sich um Häuser bauende Juden. Leider liefert Thumann auch keine Begründung oder wenigstens eine Spekulation bezüglich seiner ja durchaus richtigen Behauptung, dass „die ganze Erde“ am arabisch-israelischen Konflikt teilnähme. Thumanns Antwort auf die Frage nach dem Grund für das weltweite Interesse an dem Konflikt wäre schon allein deswegen aufschlussreich, da eine naheliegende These lautet, dass es die Präsenz von Juden ist, die den Konflikt so besonders macht. Aus Thumanns Ausführungen geht indes nicht hervor, was einen Konflikt, deren Opferzahlen im Verhältnis zu anderen weltweiten Konflikten und Kriegen verschwindend gering ist, denn eigentlich so besonders macht.

Und noch einmal: die Siedlungen

In Folge zitiert Thumann einige Palästinenser, die sagen dürfen, was Thumann gerne so sagen würde, es als deutscher Journalist aber vorzugsweise notdürftig verklausuliert ausdrückt:

Sie [die Juden, Mr. Moe] wollen uns vertreiben!

Israelis, Juden oder auch nur irgendwelche Menschen mit einer anderweitigen Meinung lässt Thumann entgegen journalistischer Qualitätsstandards nicht zu Wort kommen. Für relevanter werden offenbar die oben bereits thematisierten jüdischen „Siedlungen“ befunden. Da sie für Thumann das zentrale Hindernis für Frieden im Nahen Osten darstellen, ist es nur folgerichtig, dass er noch einmal auf sie zurückkommt:

Kein Geringerer als Barack Obama forderte den Siedlungsstopp – aber er ist zu schwach, ihn zu erzwingen.

Wahrlich schade, dass die guten, alten Zeiten vorbei sind, in denen Nicht-Juden Juden nach Gutdünken vorschreiben konnten, wo sie zu leben und zu sterben haben. Und wer sehnt sich insgeheim denn nicht danach, dass sich demokratisch gewählte israelisch-jüdische Politiker dem Willen amerikanischer Präsidenten und – wichtiger – deutscher Nahostkorrespondenten beugen müssen?

Der israelische Premier Netanjahu hat wiederholt erlaubt, neue Wohnblocks auf palästinensischem Gebiet zu bauen. Doch selbst Netanjahu streitet mit radikalen Siedlern. Er ist gefangen in den Forderungen der Siedlerlobby, Bauunternehmen, Bürokraten, nationalreligiösen Politikern, seitdem Israel 1967 das Westjordanland erobert hat und jüdische Einwanderer im „Heiligen Land“ siedeln.

Mit viel gutem Willen deutet Thumann hier äußerst vage an, dass Netanyahu einen zehnmonatigen Siedlungsstopp verkündet und sich damit gegen bedeutsame Teile seiner eigenen Regierung, seiner eigenen Partei und der Bevölkerung seines Landes gestellt hat. Dennoch zieht es Thumann vor, Netanyahu als Hardliner ( „selbst Netanjahu“) darzustellen, obgleich Netanyahu bereits in seiner ersten Amtszei von 1996-1999, wie im Übrigen viele andere vermeintlich starrköpfige Likud-Politiker, eher als Pragmatiker aufgetreten ist.

Ein Blick in die Geschichte

Des Weiteren verschweigt Thumann auch in diesem Fall zum wiederholten Male bedeutsame Tatsachen. Zum Beispiel, dass Israel das Westjordanland 1967 in einem reinen Verteidigungskrieg „erobert“ hat, was für die Beurteilung der Lage gelinde gesagt nicht ganz unwesentlich ist. Oder dass Israel den Palästinensern in der Vergangenheit fast das gesamte „besetzte“ Land angeboten hat, was die Palästinenser ausnahmslos und häufig ohne jeglichen Gegenvorschlag abgelehnt haben.

Jedoch sei Thumann in diesem Zusammenhang zu Gute gehalten, dass er diese historische Begebenheiten guten Gewissens nicht nennen kann, müsste er hierzu doch Palästinenser – also: Muslime – als handelnde – in diesem Fall: einen Krieg beginnende und sich Verhandlungen und Kompromissen verweigendere – Subjekte begreifen. Da dies einen massiven Bruch mit Thumanns Sichtweise, gemäß derer Palästinenser eine reine Opfermasse darstellen, bedeuten würde, zieht es Thumann hingegen vor, sich zum wiederholten Male mit den stets emsig agierenden Juden, in diesem Fall mit den „jüdischen Einwanderern“, zu befassen:

Manche von ihnen begründen ihre eiskalte Landnahme religiös. Das Prinzip wird anderswo im Mittleren Osten längst kopiert. So kann jeder Kompromiss ausgeschlossen werden.

Drei kurze Sätze, drei Ressentiments. Erstens ist die israelische „Landnahme“, das jüdische Verbrechen, natürlich nicht einfach nur ein Verbrechen, sondern ein „eiskaltes“. Zweitens werden erneut ausschließlich Juden als Subjekte aufgefasst, die das Problem gewissermaßen in den Mittleren Osten importiert haben, während „anderswo im Mittleren Osten“ in gewohnter Manier lediglich auf äußere Einflüsse reagiert wird. Drittens verklärt Thumann 60 Jahre israelisch-arabischer Geschichte, wenn er Israel als alleinigen Schuldigen und insbesondere als nicht zu Kompromissen fähigen oder willigen Akteur darstellt. Thumann erwähnt weder, dass arabische Nationen dem Staat Israel sowohl 1948 als auch 1967 den Krieg erklärt haben. Thumann erwähnt nicht, dass sich die arabischen Staaten 1967 in Khartum auf das berühmt-berüchtigte „dreifache Nein“ verständigt haben: nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel.Thumann erwähnt nicht, dass die Palästinenser aufgrund einer fehlenden einheitlichen Führung derzeit nicht einmal prinzipiell dazu in der Lage wären, einen „Kompromiss“ zu schließen, ,völlig unabhängig davon, ob sie dazu überhaupt gewillt sind.

Terrorismus? Ein Kampfbegriff!

Zum Abschluss kommt Thumann noch zu einem Wort, das er für einen reinen Kampfbegriff hält:

Terrorist. Das ist ein zentraler Begriff im Kampf um Land, ob in Hebron, Jerusalem, in der Türkei, im Irak, in Pakistan oder Indien. Der Terrorist darf mit allen Mitteln bekämpft werden.

Die zweifelhafte Behauptung einmal bei Seite gelassen, dass im „Kampf gegen den Terrorismus“ alles erlaubt sei, fällt auf, dass der Begriff „Terrorist“ Thumanns Auffassung zufolge offenbar ausschließlich dazu diene, Widerstandskämpfer zu diskreditieren:

Wer sich den Regierenden im Kampf um Territorium und nationale Einheit in den Weg stellt, wer Widerstand leistet, Anschläge verübt, wird „Terrorist“ genannt.

Was Thumann hier etwas verklausuliert ausdrückt ist nichts anderes als die Aufhebung jeglicher zivilisatorischen Standards, deutet Thumann doch die Ermordung von Zivilisten in einen gerechtfertigten, ja geradezu heroischen Akt des „Widerstands“ um. Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses von „Terrorismus“, das einer Leugnung des Phänomens gleicht, wird auch verständlich, wie Thumann das Kunststück vollbringen kann, einen Artikel über den Islam und den arabisch-israelischen Konflikt zu schreiben, ohne die Hamas, die Fatah oder die Islamische Republik Iran auch nur mit einer einzigen Silbe zu erwähnen. Der Iran wird im Übrigen auch an keiner anderen Stelle des gesamten Artikels näher erwähnt, vielleicht, weil sich die Autoren dann zu sehr mit ihrer eigenen Frage auseinandersetzen müssten.

Quelle: Ulrich Ladurner und Michael Thumann: „Wo der Krieg zu Hause ist“, in: DIE ZEIT vom 30. Dezember 2009, S. 8.-9 [Online Version].

Zum Mordanschlag auf Kurt Westergaard

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on Januar 2, 2010

Es hatte sich ja irgendwie angekündigt: auf Kurt Westergaard, den Schöpfer der „umstrittenen Mohammed-Karikaturen“ (SZ), wurde ein Mordanschlag verübt:

Er kam mit einer Axt und drang in das Haus von Kurt Westergaard ein: Die dänische Polizei hat den Angriff eines 28-jährigen Somaliers mit Verbindungen zu al-Qaida auf den Mohammed-Karikaturisten knapp verhindert. Westergaard rettete sich in letzter Minute in einen Sicherheitsraum.

Ob sich die ganzen „Lefty, Liberal, Multicultural, Appeasement Monkeys“, die das freie Wort in Europa längst nicht mehr gegen seine Feinde verteidigen, jetzt insgeheim freuen? Schließlich wurde ja niemand verletzt, aber einem Provokateur und Beleidiger des Islams ein dringend notwendiger Denkzettel verpasst.

Update: Die Neue Züricher Zeitung betitelt ihre Meldung über den Anschlagzunächst mit „Angriff auf Haus [sic!] des dänischen Mohammed-Karikaturisten“. Nachdem sichergestellt wurde, dass das Gebäude unversehrt geblieben ist, wurde die Überschrift der Nachricht inzwischen auf den in der Tat passenderen Titel „Mordversuch an dänischem Mohammed-Karikaturisten“ geändert.

Update 2: Die SZ verlinkt sowohl unter der Schlagzeile als auch innerhalb des entsprechenden Artikels über den Anschlag einen Text aus dem April vergangenen Jahres mit dem Titel „Keine Entschuldigung für Karikaturen-Krise“. Dort heißt es sichtlich empört:

Der designierte Nato-Generalsekretär Rasmussen [und ehemaliger dänischer Ministerpräsident, Mr. Moe] verspricht zwar mehr Rücksicht auf religiöse Empfindlichkeiten – für die Karikaturen-Krise entschuldigt er sich nicht.

Wie ist der Verweis auf diesen Artikel in Zusammenhang mit dem Anschlag auf Westergaard anders zu interpretieren als: Wer Wind sät, wird Sturm ernten?

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Worte der Woche (39)

Posted in Worte der Woche by Mr. Moe on Dezember 31, 2009

Die Europa-Sehnsucht der Türkei haben die Europäer […] nicht als Kompliment begriffen, sondern als Bedrohung – allmählich verliert das Land selbst die Lust am EU-Beitritt, und eines Tages wird man sich erstaunt und womöglich entsetzt fragen, warum Istanbul auf einmal näher bei Teheran liegt als bei Wien.

Diese Worte von ZEIT-Redakteur Jan Ross seien stellvertretend und abschließend für ein Jahr(-zehnt) angeführt, in dem westliche Kommentatoren sich beharrlich geweigert haben und nach wie vor weigern, Muslime als eigenständig handelnde Akteure und nicht ausschließlich als reine Reaktions- und Opfermasse wahrzunehmen. Da es keinen Begriff dafür gibt, Angehörige einer bestimmten Religion sowohl individuell als auch kollektiv nicht als Subjekte, sondern ausschließlich als Objekte aufzufasse, sollten sich vielleicht jene Wissenschaftler, die sich ihre hoch geschätzten Köpfe über „Islamophobie“ zerbrechen, einmal näher mit diesem Phänomen beschäftigen. Schließlich handelt es sich hierbei nicht zuletzt auch um tatsächlich um eine Diskriminierung – ja gar: Verunmenschlichung – von Muslimen, die kein Stück besser dadurch wird, dass sie nicht fremdenfeindlichen, sondern allzu gutmenschlichen Motiven entspringt.

Quelle: Jan Ross: „Wir hatten einen Traum“, in: DIE ZEIT vom 30. Dezember 2009, S. 4.

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Gerhard Schröder, „der Islam“ und die „deutsche Geschichte“

Posted in Deutsche Zustände by Mr. Moe on Dezember 13, 2009

Im Gegensatz zu manch einem seiner medial omnipräsenten Vorgänger ist vom ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder glücklicherweise nicht mehr allzu viel zu vernehmen. Wenn Schröder sich indes einmal zu Wort meldet, dann fast immer, um einem jenen „lupenreinen Demokraten“ zur Seite zu springen, die er ob ihrer Macht Zeit seines Lebens beneidet hat.

Jener Gerhard Schröder,  der SPIEGEL-Kommentator Gabor Steingart zufolge auf Grund des-gegen-den Irak-Krieg-Seins gemeinsam mit Jacques Chirac und Wladimir Putin (kein Witz) den Friedensnobelpreis verdient habe, hat nun in der für den Abdruck der Traktate ehemaliger Bundeskanzler berühmt-berüchtigten ZEIT einen Kommentar über das Schweizer Minarettverbot und die europäische Angst vor dem Islam veröffentlicht.

In Teilen erinnert Schröders Kommentar an Obamas Kairo-Rede, ist er doch ebenso von nahezu euphorischen Lobgesängen auf den Islam geprägt. Nachdem Schröder postuliert hat, dass man aufhören solle, von „dem Islam“ zu sprechen, schreibt Schröder ein paar Zeilen weiter:

Der Islam ist keine politische Ideologie, sondern eine friedliche Religion.

Schröders mangelnde Fähigkeit, sich an seine eigenen nur wenige Sätze zuvor geäußerten Worte zu erinnern, einmal bei Seite gelassen: Stünde hinter dem „sondern“ ein „auch“, wäre der Satz zumindest diskussionsfähig – in Schröders Formulierung steht er indes für die Weigerung, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Und weil Schröder zumindest zu ahnen scheint, dass sein „Argument“ nicht allzu überzeugend ist, legt er mit der deutschen Geschichte nach:

Und wenn der falsche Vorwurf aufkommt, der Islam sei gewalttätig und kriegerisch, sollten gerade wir Europäer, vor allem wir Deutsche, einen Blick auf unsere Geschichte werfen.

Hätte Schröder auch nur irgendetwas aus der deutschen Geschichte gelernt, er würde aufhören, sie in Verbund mit seinem Gesinnungsgenossen Joschka Fischer fortlaufend dafür zu nutzen, die eigenen Ziele und Überzeugungen zu verfolgen und zu rechtfertigen. Hätte es die „deutsche Geschichte“ nicht gegeben, die Schröder-Fischer-Menschen hätten sie erfunden, lässt sie sich doch ebenso als Begründung für als auch gegen militärische Gewalt anführen, je nachdem, was den Herren Gutsherren gerade besser in den Kram passt. Was an argumentativer Stärke nach Subtraktion der „deutschen Geschichte“ bleibt ist offensichtlich: nichts.

Einmal in Fahrt gekommen, fährt Schröder munter damit fort, die Realität zu verleugnen:

Nicht nur unser Bild von den Muslimen in unserem Land muss sich ändern, sondern auch unser Bild von den islamischen Staaten, die sich von West- über Nordafrika, den Nahen und Mittleren Osten bis hin nach Südostasien erstrecken. Es sind rückständige wie fortschrittliche Länder, autoritäre wie demokratische Systeme, erfolglose wie erfolgreiche Volkswirtschaften.

Leider erwähnt Schröder nicht, welche „fortschrittlichen“ und „demokratischen“ islamischen Staaten dieser Regionen er im Sinn hat. Vielleicht die Islamische Republik Iran, da es dort ja Wahlen gibt? Schröder gibt die Antwort selbst:

Während meiner Amtszeit und danach habe ich auf zahlreichen Reisen viele Verbindungen in die islamischen Länder aufgebaut. Und mich haben Persönlichkeiten wie der ehemalige iranische Reformpräsident Chatami, der türkische Ministerpräsident Erdoğan oder die Mitglieder der Herrscherfamilie von Abu Dhabi beeindruckt. Sie, wie viele andere auch, setzen sich für eine Modernisierung ihrer Gesellschaften ein, politisch wie wirtschaftlich.

Es ist kein Geheimnis, dass sich Schröder während und nach seiner Amtszeit Verbindungen mit (Möchtegern- und echten) gesucht und gepflegt hat. Daher verwundert es auch nicht, dass Schröder Chatami als einen Reformer bezeichnet, obgleich Chatami fester Bestandteil eines nicht reformierbaren Regimes ist und das iranische Atomwaffenprogramm unter seiner Präsidentschaft eifrig vorangetrieben hat. Es verwundert auch nicht, dass Schröder von Erdogan schwärmt, unter dessen Führung sich die Türkei von Europa (und Israel) abgewandt hat und mittlerweile drauf und dran ist, Teil der  iranisch-syrischen Achse zu werden.

Bis auf Weiteres bleibt demnach geltendes Prinzip: wird ein Mensch von Gerhard Schröder öffentlich gepriesen, ist dies ein verlässliches Indiz dafür, dass es sich bei der entsprechenden Person – äußerst wohlwollend formuliert – um keinen allzu sympatischen Zeitgenossen handelt.

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