Zeitung für Schland

Bademäntel und Kulturrelativismus

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on Juni 30, 2008

Der deutsche Wasserball-Nationalspieler Sören Mackeben sorgte einst mit der wahrlich subversiven Idee für Aufruhr, bei den Olympischen Spielen in organefarbenen Bademänteln aufzulaufen, um so gegen die Tibet-Politik Chinas zu protestieren. In einem Interview im SPIEGEL bekundet Mackeben nun „skeptischer geworden“ zu sein:

Inzwischen habe ich festgestellt, dass die Thematik zu komplex ist, um so eindeutig Stellung zu beziehen. […] Ich habe begriffen, dass verschiedene Kulturen verschiedene Wertvorstellungen entwickelt haben und auch die Meinungsfreiheit unterschiedlich hoch angesehen ist.

Oder anders ausgedrückt: Chinesen sind halt Chinesen sind halt Chinesen. Naheliegenderweise beruft sich Mackeben bei der Verbreitung dieses kulturrelativistischen Unsinns auf … richtig geraten:

Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat es in Sandra Maischbergers Sendung treffend ausgedrückt: Wir im Westen dürfen nicht so tun, als müsse die ganze Welt unsere Werte teilen.

Bestärkt wurde Mackeben in dieser Erkenntnis zudem durch ein Gespräch mit Chinas Botschafter in Berlin:

Eine Stunde lang habe ich den Botschafter gefragt. Etwa: Werden Internet und Fernsehen in China zensiert? Da hat er herzhaft gelacht und verneint.

Doch sollte die bloße Autorität eines chinesischen Staatsdieners ausreichen, um die knallharten und erbarmungslosen investigativen Fragen eines deutschen Wasserballers zu beantworten? Nein, da muss schon schwereres Geschütz aufgefahren werden:

Hinterher habe ich zwei große Tüten voller Bücher mitbekommen.

Auf den Hinweis des SPIEGELS, dass die chinesischen Medien „definitiv zensiert“ werden, antwortet der kritische Mackeben:

Natürlich darf man nicht alles für bare Münze nehmen, aber ich wollte beide Seiten hören. Und ich bin im Laufe der Zeit allen Seiten gegenüber skeptischer geworden. Zu skeptisch, um einen orangefarbenen Bademantel anzuziehen.

„Zu skeptisch, im einen orangefarbenen Bademantel anzuziehen.“ Jeder Literat wäre dankbar, nur einmal im Leben einen solchen Satz zu formulieren. Und ist der Wandel des Sören Mackeben nicht in der Tat beeindruckend? Aus einem engagierten, jedoch engstirnigen, orangenen Bademantelträger ist ein kritischer Mensch geworden, der alles hinterfragt und infolgedessen zu nichts mehr eine Meinung haben kann. Beruhigend sind hingegen Mackebens Pläne für die Olympischen Spiele:

Ich will mich auf Wasserball konzentrieren.

In Anbetracht der Tatsache, dass das Reden unter Wasser schwer fällt, kann dies wahrlich als ein lobenswerter Entschluss angesehen werden.

Quelle: „Ich bin skeptischer geworden“, Interview mit Sören Mackeben, in: SPIEGEL vom 30. Juni 2008, S. 139.

Doktor Drostes Sprachsprechstunde

Posted in Empfehlungen by Mr. Moe on Juni 30, 2008

Wärmstens ans Herz gelegt sei Doktor Drostes wöchentliche Sprachstunde auf MDR Figaro (hier als Podcast abonnierbar). Insbesondere die letzten drei Ausgaben seien angesichts der im Rahmen der Europameisterschaft begangenen Verbrechen an Sprache und Verstand ausdrücklich empfohlen. Zudem sei auf ein mit Wiglaf Droste geführtes Interview anlässlich der während der Weltmeisterschaft 2006 vorherrschenden „Diktatur des Gebrülls“ verwiesen, dessen Aktualität leider ungebrochen ist.

Qualitätsjournalismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Posted in DIE ZEIT by Mr. Moe on Juni 28, 2008

Was macht denn guter Journalismus? Er trennt das Interessante vom Belanglosen. Er sortiert, wählt aus und deckt eine wunderbare Tafel. Er macht neugierig, aber nicht mit dem Dahergeplauderten. Seine Daseinsberechtigung ist die Autorität, hinter der Kenntnis und Urteil stehen.

Diese Zeilen stammen aus Josef Joffes in der ZEIT erschienem Plädoyer für einen „guten Journalismus“, der sowohl im Print- als auch im Onlinebereich zu wahren sei. „Guter Journalismus“ zeichne Joffe zufolge „Qualitätszeitungen“ aus, wobei es sich von selbst versteht, dass Joffe die u.a. von ihm herausgegebene ZEIT unter die Kategorie „Qualitätszeitung“ einordnet.

Wie es um diese vermeintliche Qualität steht zeigt der Artikel „Der rosa Halbmond“ von Michael Thuman in der selben Ausgabe der ZEIT (mit dem sich auf „Gay West“ befasst wird) . Bereits in der Unterüberschrift formuliert Thumann die Frage, warum das „Los der Schwulen in der muslimischen Welt“ so „elend“ sei. Thumann widmet sich folglich einem sowohl wichtigen als in den deutschen Medien auch nicht allzu häufig thematisierten Thema. Das Vorgehen des Qualitätsjournalisten Thumanns ist der löblichen Absicht jedoch nicht entsprechend.

Zu Beginn formuliert Thumann die bereits in der Überschrift formulierte Frage weitere zweimal, vermutlich um sicherzustellen, dass sie auch wirklich jeder Leser der Qualitätszeitung verstanden hat:

Das Leben ist schwer für Homosexuelle im Nahen und Mittleren Osten. Liegt es am Islam?

[…]

In den meisten muslimischen Ländern ist das [eine Gay Pride Parade, Mr. Moe] undenkbar. Homosexuelle werden gehetzt und verfemt. Warum?

Was erwartet der Leser von einem solchen Artikel? Richtig: Eine – nach Möglichkeit sogar fundierte – Antwort auf die in dem Artikel gestellte Frage. Thumann begnügt sich hingegen zunächst mit der in diesem Zusammenhang irrelevanten Feststellung, dass „alle monotheistischen Religionen“ mit der gleichgeschlechtlichen Liebe haderten. Nach einer kurzen – und in weiten Teilen auch verkürzten – Darstellung der Situation Homosexueller in der Türkei und der arabischen Welt stellt Thuman anschließend überrascht fest, dass Homosexuelle auch in „säkularen Systemen“ (gemeint sind Ägypten, das palästinensische Westjordanland und die Türkei) verfolgt werden:

Warum verfolgen weltliche Beamte im Mittleren Osten Homosexuelle? Hier reicht der Islam als Erklärung allein nicht aus.

Scheint nach Ansicht Thumanns der Islam zunächst also zumindest teilweise ursächlich für die Verfolgung Homosexueller im Mittleren und Nahen Osten zu sein, schreibt Thumann wenige Zeilen später, dass der Islam die Ermordung Homosexueller etwa im Iran oder Saudi-Arabien nicht erklären könne:

Man blättert vergeblich im Koran, um dafür [Homophobie, Mr. Moe] eine Erklärung zu finden. […] Der Islam diene hier nur als Rechtfertigung, um das Patriarchat zu zementieren.

Die daraus unmittelbar resultierende Frage, ob das Patriarchat vom Himmel gefallen ist oder den Völkern des Nahen und Mittleren Ostens qua Herkunft unweigerlich anhängt, thematisiert Thumann jedoch nicht weiter. Wichtig ist Thumann lediglich zu betonen, dass der Islam nicht für die in seinem Namen verübten Schandtaten verantwortlich gemacht werden könne, da der Koran nicht explizit zu diesen aufriefe.

Der Leser verbleibt mit zwei Fragen: Erstens, warum Thumann die von ihm selbst in der Unterüberschrift formulierte und im Text weitere zweimal gestellte Frage in seinem Artikel nicht nur nicht beantwortet, sondern sie zu Ende des Artikels gar aufhebt. Zweitens, wann die simple Einsicht, dass sich das Wesen einer Religion nicht nur aus ihren heiligen Schriften, sondern auch und insbesondere aus dem Handeln ihrer Anhänger speist, auch zu den selbsternannten Qualitätsjournalisten durchgedrungen sein wird.

Um an dieser Stelle nicht mit Fragen zu enden, sei abschließend in Joffes Worten gesprochen: Thumann sortiert, wählt aus und deckt eine wunderbare Tafel. Er macht zunächst sogar neugierig. Beim Lesen des Artikels zeigt sich jedoch, dass Thumann bloß daherplaudert und seinem Artikel infolge nicht vorhandener Autorität, welche wiederum aus mangelnder Kenntnis und fehlendem Urteilsvermögen resultiert, selbst die Daseinsberechtigung entzieht – und im Vorbeigehen auch Joffes Bekenntnis zum Qualitätsjournalismus die Glaubwürdigkeit.

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Doppelmoral

Posted in Deutsche Zustände by Mr. Moe on Juni 26, 2008

Auf Seite 2 der F.A.Z. vom 26. Juni beklagt sich Thomas Scheen über Südafrikas wirtschaftliche Beziehungen zu Zimbabwe. Denn:

Würde Südafrika sich dazu entschließen, Sanktionen gegen Zimbabwe zu verhängen, stünden dort innerhalb von 48 Stunden alle Räder still. Doch dafür macht es im Nachbarland viel zu gute Geschäfte.

So weit, so richtig aufgeschrieben. Doch wie ist dieser F.A.Z.-Artikel mit folgender panischen Überschrift auf der Titelseite der selben Ausgabe der F.A.Z. in Einklang zu bringen?

Iran droht Europa mit Abzug von Kapital

Darüber, dass Deutschland sich, ebenso wie die meisten europäischen Staaten, im Iran – um es gelinde auszudrücken – wirtschaftlich engagiert beschwert sich die F.A.Z. nicht. Dass die iranische Polizei mit deutscher Technologie ausgestattet wird erfährt der F.A.Z.-Leser nicht einmal. Es muss die Frage gestellt werden, warum der F.A.Z. zufolge das Recht mit mörderischen Regimen zu handeln nur für Europa gelten solle.

Nachtrag: Die deutsch-iranischen Handelsbeziehungen florieren.

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Israel, der SPIEGEL und der drohende Krieg

Posted in SPIEGEL & SPIEGEL ONLINE by Mr. Moe on Juni 23, 2008

An Widerwärtigkeit schwerlich zu überbieten ist die andauernde Beschwörung eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen seitens des SPIEGELs. Unter dem reißerischen Titel „Plan zum Angriff“ schreibt der SPIEGEL, dass in Israel „lediglich über den richtigen Zeitpunkt eines Militärschlags“ nachgedacht werde:

Die Tauben plädieren dafür, den diplomatischen Bemühungen der Vereinten Nationen so lange Zeit zu geben, bis Iran kurz vor Vollendung der Bombe steht. So könnte Israel immerhin überzeugend argumentieren, dass alle nichtmilitärischen Möglichkeiten ausgeschöpft seien.

Es liegt auf der Hand, dass derjenige, der „immerhin überzeugend argumentieren“ könnte, in Wahrheit niemals im Recht sein kann. Demgemäß hält es der SPIEGEL dann auch mit der militärischen Verteidigung Israels:

Der israelische Historiker Benni Morris, sonst nicht als Hardliner bekannt, forderte kürzlich gar, sie [die israelische Atombombe, Mr. Moe] einzusetzen: „Wenn es darum geht, ob Israel sterben soll oder Iran, sollte Iran sterben“.

Ungeachtet der Tatsache, dass Benny Morris nicht Benni Morris heißt, ist dem SPIEGEL zufolge demnach also schon die reinste Form der Notwehr, denn um nichts anderes geht es in dem Kontext von Morris Zitat – abzulehnen. Und es wird noch besser:

Während die Europäer weiterhin auf Diplomatie setzen und überzeugt sind, dass eine für Teheran gesichtswahrende [!] Verhandlungslösung immer noch möglich ist, gilt den Israelis die Sanktionspolitik im Rahmen der Vereinten Nationen bereits [!!] als gescheitert.

Unabhängig davon, dass eine „gesichtswahrende Verhandlungslösung“ für Iran das letzte ist was von  Relevanz ist, ist es äußerst zynisch nicht zu erwähnen, dass die „Sanktionspolitik“ sich seit Jahren als vollkommen wirkungslos erwiesen hat und infolgedessen von Iran zurecht verhöhnt wird. Der SPIEGEL hingegen weiß lediglich festzustellen, dass die ewig nörgelnden und ungeduldigen Israelis die Sanktionspolitik „bereits“, im Sinne von: „ungerechtfertigterweise“, als gescheitert ansehen. Verantwortlich machte Israel dafür nicht zuletzt auch die Europäer

Russland und China hätten den Boykott von Anfang an torpediert. Auch in Europa werde der Sanktionskurs nur halbherzig mitgetragen. Firmen aus Österreich und der Schweiz unterschrieben sogar noch in jüngster Zeit Gaslieferungsabkommen mit Teheran, und selbst [!] die deutsche Bundesregierung habe den Handel mit dem Mullah-Regime nur geringfügig eingeschränkt.

Wieso schreibt der SPIEGEL, dass Österreich und die Schweiz Abkommen unterschrieben haben, bemüht sich der im Falle der Bundesregierung aber des Konjunktivs? So entsteht der Eindruck , die Bundesregierung verhalte sich tadellos und es sei eine böswillige Unterstellung seitens Israels, dass Deutschland weiterhin umfangreiche Handelsbeziehungen zu Iran unterhält. In die gleiche Richtung geht es, wenn der SPIEGEL Ruprecht Polenz, Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, zu Wort kommen lässt, der im Atomkonflikt bereits auf sich aufmerksam gemacht hat (vgl. auch „Der beste Freund Israels“ auf Lizas Welt):

Der Eindruck, dass Israel mit der Möglichkeit einer iranischen Atombombe alleingelassen würde darf auf keinen Fall entstehen.

Unfreiwilligerweise trifft Polenz den Nagel auf den Kopf: Dass Problem besteht für die Europäer nicht darin, dass Israel alleingelassen wird. Das Problem Europas besteht ausschließlich darin, dass der Eindruck, dass Europa Israel alleine lässt doch um Himmels Willen nicht entstehen soll. Der SPIEGEL wiederum tut sein Bestes, dieser Maxime zu entsprechen.

Das perfide daran ist, dass der SPIEGEL dadurch, ebenso wie Europa, selbst dazu beiträgt, dass Israel in naher Zukunft gezwungen sein könnte, die militärische – weil in Folge der Appeasementpolitik Europas und der Vereinten Nationen einzig verbliebene – Option zu wählen. Dass dies dann jedoch nicht Israel zuzurechnen sein wird, sondern denjenigen, die die Gefahr einer iranischen Bombe nach wie vor kleinreden oder das Streben Irans nach selbiger gar bestreiten und so dazu beitragen, dass es keine wirksamen Sanktionen gegen Iran gibt, wird selbige nicht daran zu hindern vermögen, wenn Israel dann zum Äußersten gezwungen sein sollte, in gewohnt selbstgerechter Manier zu verkünden: „Wir haben es doch gewusst“.

Quelle: Ralf Beste, Cordula Meyer und Christoph Schult: „Plan zum Angriff“, in: SPIEGEL vom 16. Juni 200, S. 112-115.

Siehe auch: Clemens Wergin: „Teherans Bombe hat viele Väter – einer heißt Mohammed al-Baradei“.

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„Konstruktive Zusammenarbeit“

Posted in F.A.Z. by Mr. Moe on Juni 21, 2008

In der F.A.Z. vom 18. Juni wurde ein Kommentar des iranischen Außenministers Manutshehr Mottaki mit dem Titel „Konstruktive Zusammenarbeit“ veröffentlicht. Entbehrt die Überschrift angesichts der Tatsache, dass Mottakis Ausführungen in einer deutschen Tageszeitung erschienen sind auch nicht einer gewissen Ironie, ist eine inhaltliche Diskussion der Position des iranischen Außenministers nicht lohnenswert (Stichwort „friedliches Atomprogramm“).

Unbedingt zu diskutieren ist jedoch, dass die F.A.Z. mit Mottaki einen Vertreter eines menschenverachtenden Regimes, das Israel in regelmäßigen Abständen mit der Vernichtung droht, zu Wort kommen lässt. Zudem stellt sich die Frage, warum die F.A.Z. nicht wie gewöhnlich allergrößten Wert auf die Kenntlichmachung fremder Beirägte legt. Im Falle von Beiträgen von John McCain, eines Präsidentschaftskandidaten eines demokratischen Landes, oder Günther Beckstein, Ministerpräsident in einem demokratischen Land, wurde eben dies getan. So wurden die Artikel McCains (F.A.Z. vom 22.03.2008 ) und Becksteins (21.03.08 ) mit roter Schrift als „Fremde Federn“ gekennzeichnet und – damit auch wirklich jeder es versteht – zusätzlich eingerahmt sowie mit einer Angabe à la „Der Autor ist Ministerpräsiden des Freistaats Bayern“ versehen. Wieso distanziert sich die F.A.Z. – wenn sie es schon für notwendig erachtet Mottaki überhaupt eine Stimme zu verleihen – nicht in eben solcher Deutlichkeit von Mottakis Kommentar?

Quelle: Manutschehr Mottaki: „Konstruktive Zusammenarbeit“, in: F.A.Z. vom 18. Juni 2008.

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Drohender Waffenstillstand

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on Juni 18, 2008

Vermutlich unfreiwilligerweise hat F.A.Z.-Nahost-Korrespondent Jörg Bremer die richtigen Worte anlässlich der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas gefunden:

Offenbar steht zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen eine Waffenruhe bevor.

Ob sich Bremer darüber bewusst ist, dass „etwas bevorstehen“ im Allgemeinen negativ konnotiert ist (vgl. etwa: „Nach der Operation stehen Ihnen Schmerzen bevor“ oder „Wenn Deutschland Europameister wird, stehen einige ausgelassene Tage bevor“)? Wie dem auch sei, warum Bremers Formulierung durchaus angebracht zu sein scheint ist auf „Blick auf die Welt – von Beer Sheva aus“, von Gil Yaron auf der „Achse des Guten“ und bei heplev zusammengefasst.

Quelle: Jörg Bremer: „Kairo: Waffenruhe in Gaza von Donnerstag an“, in: F.A.Z. vom 18. Juni 2008, S. 7.

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Neues vom Murmeltier

Posted in Briefe an die Herausgeber by Mr. Moe on Juni 13, 2008

Nachdem vor zwei Tagen an dieser Stelle darüber spekuliert wurde,ob der Tag kommen möge an dem auf der Leserbriefseite der F.A.Z. kein geschichtsrevisionistischer Unsinn abgedruckt werde, darf der Leser, der sich angesichts des gestrigen Nichtvorhandenseins solchen Unsinns bereits gewundert haben dürfte, angesichts eines neuerlichen Falls aufamten. Das Amt des Geschichtsreviosionisten übernimmt – wie so häufig – ein Gelehrter: Prof. Dr. iur Menno Aden. Anlass seines Briefes ist die drohende Entschädigung der griechischen Überlebenden des Massakers der SS in Distomo im Jahre 1944 durch Deutschland. Hierin sieht Prof. Aden eine „Ironie“, sei doch Italien der „Hauptverantwortliche“ gewesen:

Am 28. Oktober überfiel der Duce Griechenland, um es seinem neuen Imperio Romano einzuverleiben. Unser damaliger Staatschef [sic!] half seinem Freund dabei gegen jedes deutsche Interesse.

Verfolgten „unser damaliger Staatschef“ und das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg ansonsten also lediglich „deutsche Interessen“, wurde Deutschland der Krieg gegen Griechenland bösartigerweise von Italien aufgezwungen.Und es kam noch schlimmer:

Nach 1943 (Badoglio) waren die von Italien verlassenen deutschen Truppen Ziel irregulärer Angriffe und Tötungen deutscher Soldaten.

Was sich zunächst widersinnigerweise so liest, als ob die deutschen Soldaten die von den verräterischen italienischen Soldaten im Stich gelassenen deutschen Truppen angegriffen hätten, ist wie folgt gemeint:

Diesen wurde nach damaligen Völkerrecht durch Repressalien, auch Tötungen, begegnet; aus diesen stammen die Ansprüche. Diese Repressalien waren daher völkerrechtlich jedenfalls erheblich rechtmäßiger als die Bombadierung ziviler Ziele, für welche in London dem Bombermeister ein Denkmal gesetzt ist, oder die Vertreibung ziviler Bürger, deren wir heute nicht einmal gedenken dürfen.

Dass ein Akademiker einen solchen sprachlichen Widersinn veröffentlicht vermag nur denjenigen als Kuriosum zu erscheinen, die noch nie eine Vorlesung besucht haben. Damit die Aussagen von Prof. Aden zumindest einigermaßen Sinn ergeben, muss in dem ersten Zitat offensichtlich „deutscher Soldaten“ durch „griechischer Soldaten“ ersetzt werden – die Möglichkeit einmal außer Acht gelassen, dass „deutschen Truppen Ziel irregulärer Angriffe und Tötungen deutscher Soldaten“ eine vollkommen überflüßige Dopplung darstellt; der Sinn bliebe ohnehin der Gleiche.

Den griechischen Soldaten sei dann jedenfalls – durch das damalige Völkerrecht angeblich gedeckt und demnach gerechtfertigterweise – „durch Repressalien“, auf deutsch: Tötungen, geantwortet worden. Dies wiederum sei doch im Gegensatz zu dem alliierten Bombenterror und der Vertreibung „ziviler Bürger“ nun wirklich nicht so schlimm:

Für beide Vorgänge hat offenbar bisher noch kein Deutscher vor Gericht geklagt, geschweige denn obsiegt.

Jawohl, so denkt sich Prof. Aden die Angelegenheit: Erst „deutsche Interessen“ überall in Europa vertreten und dann darüber klagen, dass sich andere Nationen der Verwirklichung selbiger in den Weg stellen. Immerhin zu einer Einsicht ist Prof. Aden dann aber doch gelangt:

Uns Deutschen ist aber nun auch wirklich nicht zu helfen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Quelle: F.A.Z. vom 13. Juni 2008, S. 11.

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Wie eine deutsche Tageszeitung die USA „in Wallung“ gebracht haben soll

Posted in Die üblichen Verdächtigen by Mr. Moe on Juni 12, 2008

Die taz erhält anlässlich ihres Titelblatts, auf dem das Weiße Haus und die Überschrift „Onkel Baracks Hütte“ zu sehen ist, in der ZEIT Schützenhilfe von Katja Nicodemus. Nicodemus zufolge seien die amerikanischen Medien “ infolge des taz-Titelblatts in Wallung“ geraten:

Es war eine triumphale Titelseite: Am vergangenen Donnerstag, nachdem sich Barack Obama zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten ausgerufen hatte, erschien die Berliner tageszeitung mit einem riesigen Foto des Weißen Hauses und der Überschrift: Onkel Baracks Hütte. Dann brach die Hölle los.

Und wie sie losbrach:

Nicht nur unter taz-Lesern, sondern vor allem in amerikanischen Medien und Internetforen geißelte man den angeblich unverbesserlichen Rassismus der Deutschen, ihren Amerika-Hass, ihre, jawohl: „Goebbels-Mentalität“. Der Vergleich Obamas mit der Hauptfigur von Harriet Beecher Stowes Antisklavereiroman Onkel Toms Hütte (1852), so hieß es, verunglimpfe die USA als rassistisches Land, „eine hässliche Konnotation“ (The Washington Post).

Bemerkenswert ist hierbei, dass Nicodemus ihre Einschätzung der sich „in Wallung“ befindenden und „die Hölle“ ausbrechen lassenden amerikanischen Medien lediglich anhand zweier – zumal ungenannter – Quellen belegt: Anne Applebaums „Whoes Race Problem?“ aus der Washington Post und Menachem Rosensafts „‚Uncle Barack’s Cabin‘: Why We Must Repudiate the Ugly Racial Undercurrents of the Campaign“ in der Huffington Post. Im Gegensatz zu Nicodemus stellt Applebaum dabei die wirklich entscheidende Frage:

„Will Americans vote for a black man?“ I’ve been asked this question by foreigners of various origins a dozen — or maybe three dozen — times since the U.S. presidential campaign began for real in January. Now we have the answer: Yes, Americans will vote for a black man. Which means that it is time to turn this rather offensive question around: Will foreigners accept a black American president?

Im Verlauf ihres – im Übrigen nicht ausschließlich auf Deutschland bezogenen – Kommentars geht Applebaum dieser Frage nach, wobei sich die von Nicodemus zitierte Passage über die taz wie folgt liest:

The editors argued that their intention was satirical, but since the same newspaper has also referred to the current U.S. secretary of state as „Uncle Tom’s Rice,“ it is clear that they understood the nastiness of the „Uncle Tom“ connotation perfectly well.

Ergo verschweigt Nicodemus dem ZEIT-Leser, dass die taz bereits in der Vergangenheit mit rassistischen Stereotypen arbeitete. Schlimmer wiegt jedoch, dass so der Sinn von Applebaums Beschwerde über „eine hässliche Konnotation“ entstellt wird, welcher sich nicht zuletzt aus der wiederholten Anwendung und der vor diesem Hintergrund unglaubwürdigen Aussagen der taz-Redaktion speist. Etwas anders liegt die Sache hingegen bezüglich des Kommentars von Menachem Rosensaft, der in der Tat schreibt:

It demonstrates conclusively that the Goebbels mentality is still very much in evidence in Germany 63 years after the end of the Holocaust. It exposes the racist undercurrent that still exists in the land of Richard Wagner and Herman Goering more than six decades after the collapse of the Third Reich. And perhaps it illustrates the resentment of some Germans at the fact that Barack Obama takes great pride in the fact that one of his uncles helped liberate the Nazi concentration camp of Ohrdurf, near Buchenwald.

Auch wenn Rosensafts Aussagen nicht in allen Belangen zuzustimmen ist – als ob die Mehrheit der Deutschen wüsste, dass Obamas Onkel an der Befreiung Buchenwalds beteiligt war – stellt sich die Frage, ob ein solcher Kommentar als repräsentativ für die amerikanische Medien gesehen werden kann. Plausibler erscheint die Vermutung, dass Nicodemus Deutschland und die taz wichtiger macht als sie sind und das taz-Titelbild lediglich als Anlass nimmt, den Amerikanern endlich einmal gepflegt die Meinung zu geigen. So schreibt sie vorwurfsvoll:

Muss man an die empörende Behandlung der schwarzen Bürger von New Orleans nach dem Hurrikan Katrina erinnern? An das rassistische Sperrfeuer des Clinton-Trosses auf Obama? An all die Angriffe und Anspielungen, die ihn schließlich zu einer großen Rede über den amerikanischen Rassismus veranlassten? Noch Ende Mai hatte Hillary Clinton auf die Frage, ob sie Obama das Feld überlasse, eine seltsame Antwort gegeben: Natürlich mache sie weiter, schließlich sei Robert Kennedy 1968 während des Kampfes um die Kandidatur erschossen worden.

Ungeachtet der Tatsache, dass Nicodemus eine äußerst reduzierte und vorurteilsbehaftete Einschätzung der amerikanischen Gesellschaft vertritt, stellt sich die Frage, was um alles in der Welt an Clintons letztgenannter Aussage ausgerechnet rassistisch sein sollte. Den Leser darüber im Unklaren lassend, gelangt Nicodemus jedenfalls zu folgendem vernichtenden Urteil über die Vereinigten Staaten:

Amerikas Problem ist der Rassismus und nicht die deutsche Zeitung, die daran rührt.

Frau Nicodemus Problem ist hingegen eine fehlende Auffassungsgabe für das Essentielle: Die von ihr zitierte Kritik des taz-Titelblatts richtet sich nicht gegen das vermeintliche Aufzeigen eigener rassistischer Denkmuster, sondern gegen den real existierenden Rassismus einer vermeintlich linken deutschen Tageszeitung. Richard Herzingers Anmerkung ist demnach nichts hinzuzufügen:

Dass die Komplexität der gesellschaftlichen Verhältnisse und Konflikte in den USA bei uns aber tendenziell noch immer auf den Schwarz-Weiß-Konflikt verengt wird, sagt mehr über unsere Ignoranz und unsere Vorurteilsstrukturen aus als über die der Amerikaner.

Quelle: Nicodemus, Katja: Onkel B.s Hütte. Eine „taz“-Überschrift bringt die USA in Wallung, in: Die  ZEIT vom 12. Juni 2008, S. 47.

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Makulierung und Mord oder: Und täglich grüßt das Murmeltier

Posted in Briefe an die Herausgeber by Mr. Moe on Juni 11, 2008

Kein Tag vermag zu vergehen, ohne dass auf der Leserbriefseite der F.A.Z. geschichtsrevisionistische Traktate veröffentlicht werden. Diesmal beschwert sich der allseits bekannte Prof. Konrad Löw anlässlich des Gedenkens an die Bücherverbennung in der F.A.Z. zum wiederholten Male über die Makulierung der restlichen Auflage von Heft 2/2004 der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Zeitschrift „Deutschland Archiv“. Der Grund für Löws Beschwerde ist, dass so die Verbreitung seines Aufsatzes „Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte“ gestoppt werde, was einen „Angriff auf die Ehre dessen, dessen Geistesprodukt mit lautem Tamtam den Flammen, dem Reißwolf übergeben wird“ darstelle. Wirkt Löws Sorge zunächst unbegründet – zu mal sein Aufsatz von der Jungen Freiheit nachgedruckt wurde – zeigt sich im Weiteren die wahre Intention Löws: Endlich einmal Opfer sein. Der Weg dorthin ist denkbar einfach.

Zunächst ereifert sich Löw Victor Klemperers Aussage „Fraglos empfindet das [deutsche, Mr. Moe] Volk die Judenvernichtung als Sünde“ zu überprüfen:

So reifte in mir der Entschluss, tunlichst die Aussagen aller jüdischen Zeitzeugen der NS-Ära betreffend die Einstellung des „Volkes“ zur Judenverfolgung zu vergleichen.

Als sei dieses Vorhaben angesichts der Tatsache, dass diejenigen Juden, die die Einstellung des Volkes am eigenen Leib erfahren haben keine Auskunft mehr darüber geben können, und als sei der Verweis auf die „Aussagen aller [!] jüdischen Zeitzeugen“ ob seiner höhnischen Ironie nicht ekelhaft genug, gelangt Löw zu folgendem Urteil:

Zu meiner großen Überraschung stimmen praktisch alle – und es handelt sich dabei um weit über einhundert! – mit dem Urteil Klemperers überein.

Von dieser breiten empirischen Basis ausgehend verfasste Löw oben genannten Artikel. Und obgleich Löws Ausführungen zunächst „Gefallen des verantwortlichen Redakteurs“ fanden, kam es nach Veröffentlichung des Textes zu einem „amtlichen Aufschrei“ infolgedessen der Rest der Auflage makuliert wurde. Den Grund dafür sieht Löw darin, dass er es mutigerweise „wagte“, ob des oben geführten empirischen Beweises zu folgender Schlussfolgerung zu gelangen:

Wir dürfen nicht zögern, die Verbrechen des NS-Regimes als wichtigen Teil der deutschen Geschichte, der deutschen Identität zu bekennen. Aber wir sollten jenen entgegentreten, die allgemein von deutscher Schuld sprechen, wenn damit gemeint ist, dass die große Mehrheit der damals lebenden Deutschen mitschuldig gewesen sei an einem der größten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.

Die Großzügigkeit des Lesers einmal voraussetzend über die Verharmlosung der Shoah als „eines der größten Verbrechen“ hinwegzusehen sowie die erstaunliche Möglichkeit einräumend, dass zur Durchführung jener nur eine kleine Minderheit vonnöten gewesen sein soll, impliziiert Löws Geschichtsverständnis nichts anders als eine Geschichte ohne Subjekte. Und für die Verkündung dieser Wahrheit erntet der arme Professor nicht die gebührende öffentliche Anerkennung:

Da man den klaren Bekundungen der jüdischen Zeitzeugen nicht zu widersprechen wagt, wird das geistige Ringen um die rechte Erkenntnis [!] durch die Makulierung des heute politisch Unkorrekten ersetzt, auch wenn es noch so wohl belegt ist [!!]. Ist das in der Sache wesentlich anderes als das Verbrennen?

Sieht sich Prof. Löw also als Opfer einer – von wem auch immer geführten – Kampagne? Nicht ganz, denn es geht um weitaus Größeres als den Einzelnen:

Die Verbrennungen fanden statt „wider den undeutschen Geist“. Heute ist der amtliche deutsche „Geist“ am anderen Ende positioniert. Doch die Methoden der Verteidiger dieses „Geistes“ haben sich leider nicht durchgehend geändert.

Hinter dem Geschwafel von „Geist“ scheint sich zunächst noch die klare Aussage, dass die Deutschen von heute die Juden von eins seien, zu verbergen. Doch falsch gedacht, schließt Löw doch mit einem – ohne nähere Quellenangabe versehenden und daher nicht zu überprüfenden – Zitat Erich Kästners:

Die anständige deutsche Bevölkerung muss als jenes Volk dargestellt werden, das als erstes, am längsten und am nachhaltigsten von den Nazis ausgepowert und malträtiert worden ist.

Die logische Folgerung kann daher nur lauten: Die Deutschen von heute sind, was auch die Deutschen von einst waren: Opfer.

Quelle: F.A.Z. vom 11. Juni 2008, S. 38.

Vgl. auch: Interview mit Wolfgang Benz über Konrad Löws Thesen in der WELT.

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