Zeitung für Schland

Unruhen im Iran

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on Juni 14, 2009

Fortlaufend aktualisierte (englischsprachige) Berichte, Fotos und Videos über die zunehmenden Unruhen und Proteste* im Iran in Folge des vermeintlichen „Wahlsieges“ Mahmud Ahmadinedschads gibt es bei Michael J. Totten sowie den von Exil-Iranern betriebenen Blogs Spirit of Man und For a democratic secular Iran. Und auch wenn ein Erfolg der Demonstrationen eher unwahrscheinlich sein dürfte, zeigen die Proteste Michael Ledeen zufolge, dass ein Umsturz zumindest möglich ist:

Can the green revolution succeed in the face of “the dictatorship of lies”? Unlikely, to be sure. But life is full of surprises. The end of the mullahcracy is not impossible.

Auf Hilfe seitens der Vereinigten Staaten, kann dabei allerdings nicht gezählt werden. Dennoch oder gerade deswegen fordert Stephen F. Hayes US-Präsident Barack Hussein Obama auf, angesichts der jüngsten Entwicklungen im Iran eine neue Rede zu halten:

Obama could tap into the enthusiasm and frustration of the protesters with a few well-chosen words about democracy, the rule of law, the will of the people, consent of the governed and legitimacy. He could choose a compelling story or two from inside Iran to make his points most dramatically, perhaps an anecdote about sacrifices some Iranians made to vote or an example of post-election intimidation.

Eine solche Rede wird Obama (leider) nicht halten, so viel ist sicher. Hofft doch seine Außenministerin Clinton immer noch, dass

das Wahlergebnis den „wirklichen Willen und die Sehnsucht“ des iranischen Volkes widerspiegele.

Nach dieser kurzen, aber gekonnten humorvollen Einlage weiter mit der Realität: Was von einem Menschen zu halten ist, zeigt sich bekanntermaßen durch einen Blick auf seine Freunde: Gratuliert haben Ahmadinedschad zu seinem „Wahlsieg“ bislang Venezuelas Präsident Hugo Chavez und (natürlich) der Oberste Rechtsgelehrte Chameini, der alle Iraner auffordert, sich hinter Ahmadiedschad zu stellen. Und auch die Gratulation von EU-Chefdiplomat Javier Solana dürfte in Kürze erfolgen.

In Deutschland leistet derweil Claudia Roth wertvolle Aufklärungsarbeit und weist darauf hin, dass die „Wahlen“ im Iran nicht demokratisch gewesen seien, da nur vier von 1400 angemeldeten Kandidaten zur Wahl zugelassen worden seien. Traurig aber wahr: zu dieser Erkenntnis kann Roth angesichts dem Geschreibe von der „Bilderbuchdemokratie“ (F.A.Z.) ja fast schon gratuliert werden. Einer gewissen Ironie entbehrt unterdessen nicht, dass ausgerechnet Hamas- und Hisbollahversteher Jürgen Trittin eine „glaubhafte Untersuchung über das Ausmaß von Wahlfälschungen“ fordert. Und wenn dies nicht gesehen sollte, dann wird halt in gemütlicher Runde darüber geredet und weiter gehandelt, gell?

Dass das Mullah-Regime nicht einmal gewillt zu sein scheint, die minimalen Reformen zu akzeptieren, zu denen Mussawi eventuell bereit und in der Lage gewesen wäre, zeigt überdies sehr deutlich, wie sehr die Mullahs mit dem Rücken an der Wand stehen müssen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu täte daher gut daran, den Ausgang der iranischen „Wahlen“ in seiner heutigen Grundsatzrede nicht als Willen der iranischen Bevölkerung darzustellen (so wie es die US-Regierung geneigt ist, zu tun), sondern den iranischen Protestlern Israels Sympathie und Unterstützung zuzusichern. Sicher ist, dass Netanyahu die Welt zum wiederholten Male und aller Vergeblichkeit zum Trotz auf die von den Mullahs ausgehende Gefahr hinweisen wird, von der nicht nur Israel, sondern auch die Iraner selbst, der Nahen Osten und (fast) die gesamte Welt bedroht ist. Was bleibt ihm auch anderes übrig, im Kampf gegen die Windmühlen.

*) Es ist gar nicht so einfach, das, was sich im Iran abspielt, sprachlich korrekt wiederzugeben: beim z.B. von SPIEGEL ONLINE verwendete Wort „Ausschreitungen“ klingt etwa mit, dass es sich dabei um etwas Unrechtmäßiges handle. Da den Menschen im Iran, die dieser Stunden in Teheran und anderen iranischen Großstädten auf die Straße gehen, die Sympathie der Zeitung für Schland gewiss ist (auch wenn ein nennenswerter Anteil von ihnen vermutlich Mussawi unterstützt, der nur unwesentlich besser ist als Ahmadinedschad), und gewaltsamer Widerstand gegen das Mullah-Regime selbstverständlich akzeptabel und unterstützenswert ist, wird hier die neutraleren Worte „Unruhen“ oder „Proteste“ verwendet.

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8 Antworten

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  1. mrbaracuda said, on Juni 14, 2009 at 9:02 am

    Dass das Mullah-Regime nicht einmal gewillt zu sein scheint, die minimalen Reformen zu akzeptieren, zu denen Mussawi eventuell bereit und in der Lage gewesen wäre

    Ich glaube Zwei mal Drei macht Vier weiß mehr als ich und der Moe. Welche Reformen?

  2. […] Unruhen im Iran Wunschland Iran Possibly related posts: (automatically generated)Väter der KlamotteIran und der […]

  3. Parsa Kakashanian said, on Juni 14, 2009 at 4:10 pm

    Der gute Jörg Lau hat sich mal Gedanken gemacht, dass es Netanyahu ganz gut in den Kram passt, dass jetzt Ahmadinejad gewählt…äh an die Macht geputscht worden ist. Mal sehen ob ihm die jungen Demonstranten der Freiheitsbewegung da nen Strich durch die Rechnung machen.

    http://blog.zeit.de/joerglau/2009/06/14/ahmadinedschad-die-bessere-wahl-fur-israel_2572

    Mir Hossein (bzw. seine Supporters) twittert derweil:
    امشب همه از بالای پشت بام ساعت نه، مرگ بر دیکتاتور. EVERYONE: Tonight at 9pm Iran time from rooftops: „Death to Dictator“.

    http://twitter.com/mousavi1388

    Da nimmt man Anleihen an die Iranische Revolution als jede Nacht aus tausend Kehlen der Ruf „Allahu Akbar! Khomeini Rahbar!“ (Allah ist groß und Khomeini der Führer!) erklang. Das ist jetzt etwas verkitscht, aber ich hoffe, wir können diesen Erfolg mit „Marg bar Diktator!“ wiederholen 😉

  4. Mr. Moe said, on Juni 14, 2009 at 5:08 pm

    Meiner Meinung nach passt der „Wahlsieg“ Ahmadinedschad nicht nur Israel gut in den Kram, sondern allen, die sich von der iranischen Bombe (zu Recht) bedroht fühlen (über deren Existenz hier, Sie kennen das mittlerweile, nicht diskutiert wird, da: Off-Topic und bereits mehrfach geschehen). Ich weiß und verstehe, dass es Ihnen nicht gefallen wird, aber Max Boot hat Recht, wenn er schreibt:

    If the mullahs were really canny, they would have let Mousavi win. He would have presented a more reasonable face to the world without changing the grim underlying realities of Iran’s regime–the oppression, the support for terrorism, the nuclear weapons and ballistic missile programs. He is the kind of “moderate” with whom the Obama administration could happily engage in endless negotiations which probably would not accomplish anything except to buy time for Iran to weaponize its fissile material. […]
    So in an odd sort of way a win for Ahmadinejad is also a win for those of us who are seriously alarmed about Iranian capabilities and intentions. With crazy Mahmoud in office–and his patron, Ayatollah Khameini, looming in the background–it will be harder for Iranian apologists to deny the reality of this terrorist regime.

    Zudem frage ich mich, ob es sich wirklich um einen „Putsch“ handelt („Putsch“ ja sowieso nicht, aber Sie wissen was ich meine): 11 Millionen Stimmen Vorsprung sind nicht wenig. Selbst wenn da in sehr großem Maß betrogen wurde (was ich selbst für sehr, sehr wahrscheinlich halte), kann ich mir eine solche Differenz nicht recht erklären. Vielleicht ist die Sichtweise deutscher und westlicher Medien da doch verzerrter gewesen, als manch einer wahr haben wollte: Teheran steht schließlich ebenso wenig für den Iran, wie New York für die USA, und in der Provinz hat Ahmadinedschad zwei Jahre lang Wahlkampf betrieben. Daher frage ich Sie mit ehrlichem Interesse, was Sie glauben, wie ein derartiges Ergebnis allein durch Betrug zu Stande gekommen sein soll?

  5. Mr. Moe said, on Juni 14, 2009 at 5:37 pm

    @mrbaracuda:
    Sie haben ja Recht. Wobei ich es ja äußerst vorsichtig formuliert habe und es auch zumindest für möglich gehielten hätte, dass Mussawis innenpolitisch kleinere Verbesserungen herbeigeführt hätte. „Reformen“ ist dafür aber vermutlich wirklich nicht das richtige Worte, hat doch sogar Wolfgang Günter Lerch erkannt, aus welchem Holz Mussawi geschnitzt ist.

  6. Parsa Kakashanian said, on Juni 14, 2009 at 6:03 pm

    @ Moe

    Ich hab eben bei FDOG darauf geantwortet.

    http://fdog.wordpress.com/2009/06/13/wunschland-iran/#comment-18496

    Generell hat diese Wahl – und das ist das positive, jedenfalls von der Erkenntnis her – bewiesen, dass das Islamische Regime kein Monolith ist. DEr frühere französische Botschafter hat es mal als „une demeure avec plusieurs maîtres“ beschrieben, ein haus mit vielen Herren. Und die sind untereinander in herzlicher Abneigung verbunden und haben durchaus ihre eigenen Vorstellungen. Das Atomprogramm gehört allerdings nicht dazu: das herrscht Konsens, sogar die Exilopposition ist größtenteils dafür. Hier geht es aber um das FRIEDLICHE Atom-Energie-Programm. Falls ein militärisches existieren sollte, so ist durchaus damit zu rechnen, dass das im Inneren des Regimes keinesfalls Konsens ist. Sowohl für die Reformer, wie auch für die die Khomeini gerne à la lettre folgen, ist die Bombe keine Option, da sie extreme internationale Spannungen erzeugt und „gegen den Islam“ ist (das hat Khomeini gesagt, Khamenei hat das wiederholt). Bleiben die konservativen Pragmatiker und die Fanatiker, wie sie bei den Revolutionsgarden zu finden sind, denen internationale Spannungen egal sind, die die Bombe als Überlebensgarantie sehen, oder die sie tatsächlich für eine iranische Hegemonie nutzen wollen. In diesem Falle wird dann auch mal Khomeini verfälscht.

  7. Mr. Moe said, on Juni 14, 2009 at 8:30 pm

    @Parsa Kakashanian:
    Der Hinweis auf die Diskussion bei FdoG ist sinnvoll. Da Diskussionen nicht doppelt geführt werden müssen, schlage ich daher vor, den entsprechenden Teil der Diskussion dort weiterzuführen.

    Zum Rest:
    Das das iranische Atomprogramm militärischen Zwecken dient, ist jedem klar, der bis Drei zählen kann. Sie haben die Existenz dieses Programms indes hier und anderen Orten bereits mehrfach in Frage gestellt – tun Sie das meinetwegen weiterhin, aber hier wird nicht weiter darüber diskutiert, ob Wasser nass ist.

  8. mrbaracuda said, on Juni 14, 2009 at 8:55 pm

    Danke für den Link, Moe. Nicht unbedingt sehr konkret, aber jetzt weiß ich wenigstens etwas über den Herrn.


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