Zeitung für Schland

Über die Krise zwischen der Obama-Regierung und Israel

Posted in Zwei mal Drei macht Vier by Mr. Moe on März 18, 2010

Während deutsche Medien US-Präsident Obama einvernehmlich als prominentesten Mitspieler des Volkssports „Israelkritik“ huldigen wird die Obama-Regierung in den Vereinigten Staaten bezüglich ihrer Haltung gegenüber Israel zunehmend kritisiert – und dies nicht nur seitens der üblichen, Obama kritisch gegenüberstehenden Verdächtigen. So haben etwa nicht nur konservative Tageszeitungen wie das Wall Street Journal oder die Washington Times die Obama-Regierung deutlich für ihr Verhalten gegenüber Israel kritisiert, sondern auch die Obama grundsätzlich wohlgesonnene Washington Post. In dem entsprechenden Leitartikel der Washington Post heißt es etwa:

[I]t has been startling — and a little puzzling — to see Mr. Obama deliberately plunge into another public brawl with the Jewish state.

Ja, selbst Obamas Hofblatt, die New York Times, übt in einem Leitartikel leise Kritik an der Regierung.

Darüber hinaus sind auf politischer Ebene neben deutlicher Kritik seitens der Republikaner zunehmend auch kritische Stimmen aus Obamas eigener Partei zu vernehmen,  wohingegen es an öffentlicher Unterstützung für die Haltung der Regierung mangelt. Jennifer Rubin gelangt daher zu folgendem Urteil:

Not a single Republican or Democratic official has come forward to defend the administration. J Street cheers them on, as one can imagine from the never-enough-venom-directed-to-Israel lobby. The National Jewish Democratic Council is hiding under the bed. But actual elected leaders? Not one of them. On this the administration is totally isolated.

Dass Obamas Politik gegenüber Israel von einer Mehrheit der US-Bevölkerung ohnehin nicht geteilt werden dürfte, lässt sich zudem aus den Ergebnissen der jüngsten GALLUP-Umfrage entnehmen, gemäß derer mehr als zwei Drittel der Amerikaner ein positives Verhältnis zu Israel haben. Ferner sind die Sympathien von sechs von zehn Amerikanern im israelisch-arabischen Konflikt auf Seiten Israels, was dem höchsten Wert für den jüdischen Staat seit fast zwanzig Jahren entspricht.

Auch in Israel selbst nimmt die Kritik an der Obama-Regierung zu, was insofern nicht selbstverständlich ist, als dass auch der israelische Premierminister Netanyahu und seine Regierung bisweilen heftig für ihr Verhalten kritisiert wurden und werden. Nachdem sich jedoch abzeichnet, dass die Obama-Regierung eine ebenso unnachgiebige wie eindeutig israelfeindlich Haltung einnimmt, indem sie nicht nur einen Baustopp in der israelischen Hauptstadt Jerusalem fordert, sondern auch eine öffentliche Geste der Versöhnung gegenüber jenen Palästinensern, die unterdessen ohne den leisesten Anklang amerikanischer oder gar internationaler Kritik einen Platz nach einer Terroristen benannt haben, reihen sich mittlerweile selbst linke Kommentatoren in die Kritik israelischer Medien an Obama ein. Fast zwei Drittel der Israelis geben zudem Obama die Schuld an der Krise, während nur jeder fünfte Israeli Netanyahu für den Verantwortlichen hält. Michael Oren, Israels Botschafter in den Vereinigten Staaten, hatte die Krise zwischen der Obama-Regierung und Israel zunächst als „schlimmste Krise seit 35 Jahren“ bezeichnet, spielte sie anschließend in einem dennoch äußerst lesenswerten Op-Ed für die New York Times jedoch pflichtgemäß als „disagreement“ herunter.

Angesichts der Tatsache, dass deutsche Journalisten und Politiker zwar wie ein Mann hinter Obamas Israel-Politik stehen, jedoch sowohl amerikanische und israelische Medien und Politiker sowie die Mehrheit der Bevölkerung in beiden Ländern bisweilen heftige Kritik an der Haltung der Obama-Regierung äußert, stellt sich unweigerlich die Frage, warum die im Allgemeinen stets auf ihre Popularität bedachte Obama-Regierung derart hartnäckig an ihrem Kurs festhält. Denn auch wenn deutsche Medien die diplomatische Krise zwischen der Obama-Regierung und Israel, wahlweise einem israelischen Fauxpas oder gezielter Böswillig- und Unnachgiebigkeit Netanyahus zuschreiben, weisen die jüngsten Ereignisse vielmehr darauf hin, dass die Obama-Regierung lediglich einen willkommenen Vorwand gesucht und gefunden hat, sich nicht nur öffentlichwirksam von Israel zu distanzieren, sondern einen handfesten Konflikt mit Israel herbeizuführen.

Selbst unter der wohl begründeten Annahme, dass Obama und seine Berater jüdische Siedlungen und nicht etwa die von der iranischen Achse gepflegte antisemitische und islamfaschistische Ideologie tatsächlich für das größte Friedenshindernis im Nahen Osten halten, können die „Siedlungen“ – bei denen es sich in diesem Fall im Übrigen nicht um Siedlungen, sondern um Wohnungen innerhalb der israelischen Hauptstadt handelt – nicht die eigentliche Ursache für das amerikanische Zerwürfnis mit Israel sein. Schließlich hat Netanyahu seit jeher zwar einen Baustopp im Westjordanland verkündet, am Wohnungsbau innerhalb Jerusalems jedoch ebenso wie alle bisherigen israelischen Regierungen seit 1967 festgehalten, was die Obama-Regierung im vergangenen Jahr im Übrigen auch mehrfach öffentlich anerkannt hat. Die Ankündigung, 1600 neue Wohnungen in Jerusalem zu bauen mag daher zwar zeitlich ungelegen, inhaltlich aber keinesfalls überraschend für die US-Regierung gekommen sein. Zudem hätte die Obama-Regierung, sofern es denn bei der Krise wirklich um den „Friedensprozess“ respektive jüdische „Siedlungen“ ginge, zumindest leise Kritik an der Palästinensische Autonomiebehörde äußern müssen, die Verhandlungen seit Monaten verweigert und sich auch dieser Tage alles andere als konstruktiv verhält. So ideologisch fehlgeleitet und geschichtsvergessen die Auffassung der Obama-Regierung bezüglich des israelisch-arabischen Konfliktes auch sein mag – ihr derzeitiges Verhalten lässt sich nicht allein aus diesem Blickwinkel erklären.

Es spricht vielmehr alles dafür, dass die Ursachen für die Krise zwischen der Obama-Regierung und Israel nicht bei Israels „rechtsnationaler“ Regierung oder gar einem von Silke Mertins in der Financial Times unterstellten „Realitätsverlust“ Netanyahus liegen. Der „Siedlungsbau“ ist folglich auch nicht, wie von deutschen Medien unterstellt, die Ursache für die Krawalle in Jersualem, die Melanie Phillips bereits treffend als „Obama-Intifada“ bezeichnet hat. Yossi Klein Halevi stellt die Kausalität in The New Republic richtig:

The return of menace to Jerusalem is not because a mid-level bureaucrat announced stage four of a seven-stage process in the eventual construction of 1,600 apartments in Ramat Shlomo, a Jewish neighborhood in northeast Jerusalem. Such announcements and building projects have become so routine over the years that Palestinians have scarcely responded, let alone violently. In negotiations between Palestinians and Israelis, the permanence of Ramat Shlomo, and other Jewish neighborhoods in East Jerusalem, has been a given. Ramat Shlomo, located between the Jewish neighborhoods of French Hill and Ramot, will remain within the boundaries of Israeli Jerusalem according to every peace plan. Unlike the small Jewish enclaves inserted into Arab neighborhoods, on which Israelis are strongly divided, building in the established Jewish neighborhoods of East Jerusalem defines the national consensus.

Why, then, the outbreak of violence now? Why Hamas’s „day of rage“ over Jerusalem and the Palestinian Authority’s call to gather on the Temple Mount to „save“ the Dome of the Rock from non-existent plans to build the Third Temple? Why the sudden outrage over rebuilding a synagogue, destroyed by the Jordanians in 1948, in the Old City’s Jewish Quarter, when dozens of synagogues and yeshivas have been built in the quarter without incident?

The answer lies not in Jerusalem but in Washington. By placing the issue of building in Jewish neighborhoods in East Jerusalem at the center of the peace process, President Obama has inadvertently challenged the Palestinians to do no less.

[…]

Obama is directly responsible for one of the most absurd turns in the history of Middle East negotiations. Though Palestinian leaders negotiated with Israeli governments that built extensively in the West Bank, they now refused to sit down with the first Israeli government to actually agree to a suspension of building. Obama’s demand for a building freeze in Jerusalem led to a freeze in negotiations.

Während einige Kommentatoren it einigem Recht auf Obamas israelfeindliche Gesinnung hinweisen und diese als Erklärung für Obamas zum Scheitern verurteilte Nahost-Politik anbringen, gibt Robert Kagan in der Washington Post eine andere Antwort auf die Frage nach den Ursachen für das Verhalten der Obama-Regierung. Kagan weist zunächst darauf hin, dass Israel nicht der einzige Verbündete der USA ist, der von der Obama-Regierung vor den Kopf gestoßen wurde und wird:

Israelis shouldn’t feel that they have been singled out. In Britain, people are talking about the end of the „special relationship“ with America and worrying that Obama has no great regard for the British, despite their ongoing sacrifices in Afghanistan. In France, President Nicolas Sarkozy has openly criticized Obama for months (and is finally being rewarded with a private dinner, presumably to mend fences). In Eastern and Central Europe, there has been fear since the administration canceled long-planned missile defense installations in Poland and the Czech Republic that the United States may no longer be a reliable guarantor of security. Among top E.U. officials there is consternation that neither the president nor even his Cabinet seems to have time for the European Union’s new president, Herman Van Rompuy, who, while less than scintillating, is nevertheless the chosen representative of the post-Lisbon Treaty continent. Europeans in general, while still fond of Obama, have concluded that he is not so fond of them — despite his six trips to Europe — and is more of an Asian president.

The Asians, however, are not so sure. Relations with Japan are rocky, mostly because of the actions of the new government in Tokyo but partly because of a perception that the United States can’t be counted on for the long term. In India, there are worries that the burgeoning strategic partnership forged in the Bush years has been demoted in the interest of better relations with China. Although the Obama administration promised to demonstrate that the United States „is back“ in Asia after the alleged neglect of the Bush years, it has not yet convinced allies that they are the focus of American attention.

Auch wenn Kagan sich über die Gründe für diese paradoxe Politik weitestgehend ausschweigt (siehe hierfür etwa John Boltons Artikel in der Januar-Ausgabe des Commentary Magazine), fällt sein Fazit eindeutig aus:

This administration pays lip-service to „multilateralism,“ but it is a multilateralism of accommodating autocratic rivals, not of solidifying relations with longtime democratic allies. Rather than strengthening the democratic foundation of the new „international architecture“ — the G-20 world — the administration’s posture is increasingly one of neutrality, at best, between allies and adversaries, and between democrats and autocrats. Israel is not the only unhappy ally, therefore; it’s just the most vulnerable.

Diesem Verständnis nach, dass auch von den Autoren des Wall Street Journal geteilt wird, stünde die Krise zwischen den Vereinigten Staaten und Israel für ein tiefer liegendes Muster der Außenpolitik der Obama-Regierung und hätte folglich prinzipiell wenig mit Israel selbst zu tun. So richtig Kagans Analyse der fehlgeleiteten Außenpolitik Obamas grundsätzlich auch sein mag und so meilenweit sie den stumpfen „Israel-ist-an-allem-schuld-Erklärungen“ deutscher Medien voraus sein mag, so vernachlässigt sie doch die spezifische derzeitige Konstellation im Nahen Osten und somit den eigentlich entscheidenden Punkt, der weniger mit Israel als vielmehr mit dem iranischen Atomwaffenprogramm zu tun hat.

Da Teheran weiterhin mit Hochdruck an seinem Atomwaffenprogramm arbeitet, dürfte mittlerweile selbst Anhängern und Mitgliedern der Obama-Regierung deutlich geworden sein, dass die von ihnen propagierte dialogorientierte Politik der ausgestreckten Hand auf der ganzen Linie gescheitert ist. Die von der Obama-Regierung nunmehr zumindest offiziell verfolgte Strategie, „wirksame“ Sanktionen gegen die „Islamische Republik“ zu verhängen, muss angesichts des internationalen Unwillen und/oder der Unfähigkeit, bedeutsame Sanktionen tatsächlich auch einmal durchzusetzen, mittlerweile ebenso als gescheitert angesehen werden. Die offenkundige Hilflosigkeit der Obama-Regierung manifestiert sich nicht zuletzt in Form verkündeter Deadlines, die ohne Konsequenzen verstreichen. Angesichts dieser glänzenden Aussichten verwundert es nicht, dass in Israel über einen möglichen Militärschlag gegen das iranische Atomwaffenprogramm nachgedacht wird bzw. werden muss. Ein solcher Verteidigungsschlag des jüdischen Staates gegen seine unmittelbarste Bedrohung wäre für die Obama-Regierung nicht nur der Inbegriff ihrer grandios gescheiterten Iran-Politik, sondern stünde offenkundig auch zwei ihren obersten außenpolitischen Ziele – der Aussöhnung mit der „muslimischen Welt“ und der Wiederherstellung des Ansehens Amerikas weltweit – vermeintlich im Weg.

Aus Sicht der Obama-Regierung gilt es folglich, einen israelischen Militärschlag gegen das iranische Atomwaffenprogramm zu verhindern oder sich zumindest so früh wie möglich von Israel zu distanzieren. Als Mittel hierfür bleibt der Obama-Regierung angesichts ihres offensichtlichen Unwillens, das Atomwaffenprogramm selbst durch Sanktionen oder gar einen eigenen Militärschlag zu stoppen und Israel so von der Notwendigkeit der Selbstverteidigung zu entbinden, die israelische Regierung unter Druck zu setzen und so von einem eigenmächtigen Vorgehen abzuhalten. Dies ist genau das, was die Obama-Regierung de facto tut, wenn sie Israel öffentlich in harten Worten kritisiert und nunmehr folgende Forderungen gegenüber Israel respektive Netanyahu stellt:

In an effort to get peace talks back on track, the Obama administration is pressing Israeli Prime Minister Binyamin Netanyahu to reverse last week’s approval of 1,600 housing units in a disputed area of Jerusalem, make a substantial gesture toward the Palestinians, and publicly declare that all of the „core issues“ in the Israeli-Palestinian conflict, including the status of Jerusalem, be included in upcoming talks, U.S. officials said.

Jennifer Rubin weist mit Recht darauf hin, dass diese Forderungen für Netanyahu ebenso wie für jeden anderen israelischen Regierungschef unerfüllbar sind:

The bad news is that the Obami are imposing three new conditions on Israel — they have the pretext, you see, after days of invented and exaggerated outrage. (1) Reverse the decision on Jerusalem housing units (what Israeli government could?). (2) Declare itself willing to discuss all “core issues” at the bargaining table, including the final status of Jerusalem (a demand that “could split Netanyahu’s fragile coalition government”). (3) Make a “substantial gesture” toward the Palestinians (because you can never humiliate Israel enough). One suspects the Obami have regime change — Israel’s — in mind.

Kernpunkt der Strategie der Obama-Regierung ist es demnach, Netanyahus Regierungskoalition zu sprengen, um so den Weg für eine Obamas Zwecken dienlichere Regierung – etwa unter Beteiligung der Kadima – frei zu machen. Während sich die Obama-Regierung bekanntermaßen gegen einen Regime Change im Iran oder andernorts ausgesprochen hat, strebt sie selbigen in Israel unverblümt an. Ein naheliegendes Gegenargument gegen diese These bringt etwa David P. Hornik für Front Page an:

What motivated the administration’s outburst? Speculations have focused on attempts to intimidate Israel out of attacking Iran; or to force Netanyahu to choose between his right-wing coalition partners and going along with the administration’s notion of a “peace process”—or even pressuring his government into a collapse. Neither aim would be logical: making Israel feel isolated and abandoned by the U.S. would increase the chances of a move against Iran; and the right to build in Jerusalem is not a “right-wing” but, rather, a consensus position in Israel that has a unifying rather than fragmenting effect.

Gleichwohl vermag Horniks Argumentation nicht zu überzeugen, da es auch nicht „logical“ ist, die eigenen Verbündeten fortlaufend vor den Kopf zu stoßen, gleichzeitig aber auch wirklich jedes totalitäre und/oder diktatorische Regime zu hofieren und zu umgarnen. Es ist auch nicht „logical“ die offenkundige Terroristenverehrung der Palästinensischen Autonomiebehörde zu ignorieren, jede neue jüdische Wohnung in (Ost-)Jerusalem indes als ein unüberbrückbares Hindernis für den „Friedensprozess“ anzusehen.

Währenddessen wird in der WELT von einem „deutlichen“ Bekenntnisses Obamas zu Israel phantasiert und im Weißen Haus wird man ebenso wie in deutschen Medien nicht müde zu behaupten, dass Freunde sich manchmal eben auch kritisieren müssten. Mögen die Folgen dieser vermeintlich freundschaftlichen Kritik für Israel, den Iran und den Nahen Osten auch nicht gänzlich abzusehen sein – die Aussichten sind fatal.

Update:

Einige weitere lesenswerte Kommentare:

WELTDie verheerende Bilanz der amerikanischen Nahostpolitik

Max Boot – No Way to Treat a Friend

Charles Krauthammer – How Obama Created the Biden Incident

Neue israelische Umfragen zeigen derweil, dass drei Viertel der Israelis Obamas Kritik anIsrael als „unangemessen“ beurteilen. Und SPIEGEL ONLINE lehrt deutsche Leser, dass von einer „Eskalation“ erst dann die Rede ist, wenn Israel zurückschießt.

16 Antworten

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  1. peet said, on März 18, 2010 at 11:10 am

    Ich würde weniger spekulieren, umsomehr dass die zahlreichen zitierten Medienquellen das sowieso zu viel tun. Ich würde bei den drei von mir gestern genannten Artikeln bleiben, die eine klare Position zeichnen. Den besten von diesen drei zitierst Du heute auch. Wenn wir über solche Autoren verfügen, die besser als wir ales auf den Punkt bringen, wozu sollten wir so viel Mist lesen und verarbeiten? 🙂

  2. Mr. Moe said, on März 18, 2010 at 1:22 pm

    @peet:
    Auch wenn ich den grundlegenden Einwand gegen allzu viel Spekulationen nachvollziehe und teile, widerspreche ich Dir in zweierlei Hinsicht.
    Erstens sind die von Dir verlinkten Artikel zwar sehr gut, aber eben englischsprachig. In deutscher Sprache habe ich bislang jedenfalls kaum eine Analyse gelesen, in der auch nur erwähnt wird, dass Obamas Kurs umstritten ist und dass Israel vielleicht doch nicht der wirkliche Verantwortliche für die Krise ist. Traurig, aber wahr: nicht jeder in Deutschland liest die contentions oder das WSJ.
    Zweitens halte ich Dein Argument, dass es doch Autoren gäbe, „die besser als wir ales auf den Punkt bringen“ prinzipiell für verkehrt, denn die Existenz von in der Tat gescheiteren und/oder aktiveren Autoren sollte weder Dich, mich oder sonst jemandem vom eigenständigen Denken und Formulieren oder wenigstens Zusammenstellen und Weiterverbreiten abhalten. Zu Ende gedacht läuft dieses Argument im Übrigen darauf hinaus, dass sich nur noch ein paar wenige Experten oder „Experten“ äußern dürften.

  3. chateaudur said, on März 18, 2010 at 2:06 pm

    Haben Sie erneut vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit, Mr. Moe! Sie stoßen mich stets auf Artikel, die ohne Ihre Anregung an mir vorübergingen. Auch Ihre Kommentierung ist wie immer geistreich und erhellend. Bitte weiter so!

  4. Mr. Moe said, on März 29, 2010 at 7:00 am

    Nachtrag:
    Selbst Barry Rubin sieht die Obama-Regierung jetzt auf dem Weg in einen offenen und bewussten Konflikt mit Israel. „Selbst“, weil Rubin allen Fähigkeiten zum Trotz die Obama-Regierung lange Zeit ja als „wohlgesonnen“ gegenüber Israel beschrieben hat.

  5. Hartung said, on April 23, 2010 at 8:35 am

    Nun möchte ich einen kleinen Kommentar zu diesem Text geben, als jemand, der selbst in Jerusalem lebt.

    Ihr Text klingt für meine Ohren etwas subjektiv. Dass es mit Obama kriselt hat schlicht und einfach einen Grund: Israel bricht international geltendes Recht PUNKT

    Es geht nicht darum, dass der Westen möchte, dass Israel seine Hauptstadt ausbaut, sondern, dass es verhindert wird, dass auf arabischem Grund gebaut wird. Und das geschieht hier. Ich sehe es jeden Tag. Gerechfertigt wird dies mit Gott, der hat das Land den Juden gegeben. Die angestammte arabische Bevölkerung wird als „fremd“ betrachtet und als Bevölkerung 2. Klasse behandelt! Ich arbeite an einer zionistischen Schule. Und moderate Geisteshaltungen findet man hier leider selten.

    Israel muss umdenken! Vorallem darf es sich nicht mit allem und jedem anlegen. Auf Dauer muss es konstruktive Gespräche mit den muslimischen Ländern geben. Frieden in den Grenzen von 1967 ist möglich. Die arabische Seite hat mehrfach Signale gesandt. Nur boykottieren dies die radikalen Organisationen Hamas und auf der anderen Seite diese unerträglichen Siedlungsbauten auf arabischem Land. Ich sage dies, weil es 5 Millionen Juden im Nahen Osten niemals mit 1,3 Milliarden Muslimen aufnehmen können! Nicht auf Dauer! Appeasement ist zwar keine Lösung, aber etwas geschickter und weniger größenwahnsinniger muss sich Israel schon anstellen.

    Ich würde es Israel nicht empfehlen den Iran anzugreifen. Das wäre unser aller Tod hier im Medina. Das schafft der Iran schon ganz ohne Atomwaffen, über die er sowieso nicht verfügt.

    שלום לגרמניה

    פטר הרטונג

  6. Avram said, on April 23, 2010 at 9:51 am

    @ Hartung

    „Ihr Text klingt für meine Ohren etwas subjektiv.“

    Ihr Kommentar ebenfalls!

    „Israel muss umdenken!“

    Prima, wieder ein Deutscher, der nach Israel ging, um den Juden zu sagen, wo es lang geht. Darauf hat Israel nur gewartet!

    Bei Ihrer vorgefassten Meinung erspare ich es mir, argumentativ auf Ihren Kommentar einzugehen. Es würde ohnehin nichts bringen.

    Wenn es Sie so sehr stört, was die bösen Juden in ihrem Land machen, dann gehen Sie doch einfach wieder nach Deutschland zurück. Schreiben Sie ein Buch über Ihre Erfahrungen in Israel. Bei Ihrer Einstellung wird es bestimmt ein Bestseller. Abi Melzer steht bestimmt gerne für die Veröffentlichung zur Verfügung.

    Verlassen Sie die „zionistische Schule“ in Jerusalem. Dann wird es auch nicht Ihr Tod, wenn sich Medinat Israel gegen ihre Erzfeinde verteidigt.

    Ihr gesamter Kommentar quillt über vor Haß auf Israel und Juden. Sie müssen schon sehr masochistisch veranlagt sein, um Ihr Leben unter Ihren Feinden zu verbringen.

    Ein Mensch, der sein Leben damit zubringt, seinem Hass zu fröhnen, ist schon ein trauriger Anblick. Sie tun mir ehrlich leid.

  7. willow said, on April 23, 2010 at 10:22 am

    @Hartung

    „dass auf arabischem Grund gebaut wird.“

    Können sie begründen, warum es sich um arabischen Grund handeln soll? Wär nicht richtiger „auf Grund, der sowohl von Arabern als auch Israeli beansprucht wird“?

    Im Gegensatz zu ihnen halte ich (wie auch eine große Mehrheit der Israeli) einen Frieden in den Grenzen von 1967 nicht für möglich – zumindest nicht 1:1. Wobei die Änderungen hauptsächlich Jerusalem betreffen müssten. Da aber die arabische Seite den Frieden in den Grenzen von 1967 sowieso nur unter der Voraussetzung einer Rückkehr der Vertriebenen „Palästinenser“ in das israelische Gebiet anbietet… wenn die Bevölkerung „Israels“ zu zwei Dritteln aus Arabern besteht kommt es auf Jerusalem auch nich mehr an.

    Im Übrigen hatten die Palästinenser fast 20 Jahre Zeit, in den „Grenzen von 1967“ einen Staat zu gründen. Auch das letzte Angebot Baraks beinhaltete Ostjerusalem – warum haben die Palästinenser diese Chancen nicht ergriffen?

    Ganz davon abgesehen, Israel könnte anbieten was es will (mal von einer Selbstauflösung abgesehen), ein Friedensvertrag, der sowohl von Gaza als auch von Ramallah unterschrieben wird … glauben sie daran wirklich!?

  8. Hartung said, on April 23, 2010 at 10:47 am

    @Avram

    Was für eine Antwort. Ein Deutscher der nach Israel ging um die Juden zu belehren xD Und ich bin ja so voller Hass auf Juden und Israel. Na sicher. Wissen Sie welches religiöse Bekenntnis ich habe?

    Ich werde mich Ihnen gegenüber nicht rechtfertigen. Nichts meines Kommentares lässt auf Hass gegen Juden schließen.

    @ Willow

    Ja das kann ich begründen. Das Gebiet Palästina wurde 1948 zwischen Juden und Arabern geteilt. NAch dem Krieg kam es zur Grünen Linie als Stillstandslinie und diese WAffenstillstandslinie war auch international als Defacto-Staatsgrenze anerkannt. Nach international geltendem Völkerrecht ist der Grund arabisch, da dort ein geschlossenes arabisches Siedlungsgebiet bestand, mit einer über jahrhunderte angestammten arabischen Bevölkerungsmehrheit. Aber ganz einfach lässt sich dies damit begründen, dass dieser Boden Teil des arabischen Gebietes von 1948 ist.

    Lesen Sie Bücher über das Völkerrrecht, dann erkennen sie die Diskrepanz zwischen dem Recht und den Handlungen der israelischen Regierung.

    Zu den Grenzen von 1967. Auch ich bin nicht der Meinung 1:1. Zum Beispiel sollte Ariel, Ma’ale Adumim und Gush Etzion ganz klar zu Israel gehören. Das haben auch verschiedenste Friedensverhandlungen immer betont. Dafür sollte es einen Landswap von Israel an das zukünftige Palästina geben. Das was sie mit der Flüchtlingsrückkehr sagen ist nicht richtig. In den Verhandlungen war von der Flüchtlingsrückkehr in den zukünftigen palästinensischen Staat die Rede. ABer davon abgesehen, internationales Recht wäre, dass die Araber in ihre eigenen Häuser zurückkehren dürften. Warum denn nicht? Steht das Recht auf einen jüdischen Staat über den Menschenrechten? Ich empfehle hier das Buch „Jerusalem“ von Gil Yaron.

    Ich mache keine einseitigen Schuldzuweisungen an Israel. Die Araber haben da mindestens den gleichen Anteil, wenn nicht sogar mehr. Ich glaube auch nicht, dass ein Friedensvertrag von Ramallah UND Gaza unterschrieben werden würde. Nur halte ich hier eine Art Magnettheorie wie sie schon von Adenauer vertreten wurde für möglich. Ramallah wird diesen anerkennen, sofern es eine Teilung Jerusalems gibt.

    @ Willow, Danke für den unpolemischen und objektiven Kommentar

    Küsschen an Avram

    Peter Ephraim Hartung

  9. Avram said, on April 23, 2010 at 12:07 pm

    @ Hartung

    „Das Gebiet Palästina wurde 1948 zwischen Juden und Arabern geteilt.“

    Ja, zum zweiten Mal. Das Gebiet Palästina wurde vom Völkerbund 1922 zum Mandatsgebiet Palästina erklärt und Großbritannien das Mandat übertragen und es unter anderem damit beauftragt, „solche politischen, verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen im Land herzustellen, weiche die Errichtung einer nationalen jüdischen Heimstätte gewährleisten“.

    Im selben Jahr errichtete Großbritannien in drei Vierteln des ihm anvertrauten Gebiets das arabische Emirat Transjordanien (heute das Haschemitische Königreich Jordanien), wodurch nur das Gebiet westlich des Jordans zur Entwicklung der nationalen jüdischen Heimstätte verblieb.

    Auf welcher Grundlage des internationalen Rechts konnte Großbritannien so großzügig über Land verfügen, welches den Briten nicht gehörte?

    Im November 1947 stimmte die Vollversammlung der Vereinten Nationen für die Errichtung von zwei Staaten in diesem Gebiet (westlich des Jordans) – einem jüdischen und einem arabischen. Die Juden nahmen die Teilung an, die Araber lehnten sie ab.

    In Ihren beiden Kommentaren sagen Sie, Israel hätte Internationales und Völkerrecht gebrochen. Diese Ansicht ist nicht unumstritten. Ich neige eher dazu, der Ansicht von Prof. Phillips zuzustimmen:

    http://jer-zentrum.org/ViewBlog.aspx?ArticleId=90 oder im Original:
    http://www.commentarymagazine.com/viewarticle.cfm/the-illegal-settlements-myth-15295

    Ihre Konfession ist für mich völlig irrelevant. Gerade in Jerusalem leben zum Teil bekloppte orthodoxe Juden, die ich ebenso sehr ablehne, wie fanatische Judenhasser aller Religionen (Christen, Moslems und Juden).

    Aufgrund Ihres Namens kann man nicht unbedingt darauf schließen, daß Sie Jude sind. Schließlich war Gotthold Ephraim Lessing auch keiner!

  10. yael1 said, on April 23, 2010 at 4:09 pm

    Die Agenda der „Israelkritiker“ (III): Ein „judenreines“ Palästina?

    Und damit zu einem Thema, das bei allen „Israelkritikern“ ganz weit oben auf der Tagesordnung rangiert: den israelischen Siedlungen. Doch lassen Sie mich dieses Kapitel auf der anderen Seite beginnen: nicht bei den Israelis, sondern bei den Palästinensern.

    Ende April vergangenen Jahres verurteilte ein von der Palästinensischen Autonomiebehörde eingesetztes dreiköpfiges „Militärgericht“ in Hebron den 59jährigen Palästinenser Anwar Breghit zum Tode. Außerdem beschloss es, das Vermögen und den Besitz des Angeklagten – dem keinerlei Möglichkeit zur Verteidigung gegeben wurde – zu beschlagnahmen. Breghit habe Land an Juden verkauft und damit gegen ein Gesetz aus dem Jahr 1979 verstoßen, das genau dies verbiete, urteilte das Tribunal. Darüber hinaus habe er zwei weitere Anordnungen nicht befolgt: eine aus dem Jahr 1958, nach der Israel grundsätzlich zu boykottieren sei, und eine von 1953, die jeglichen Handel mit Israelis untersage. Damals war die Westbank zwar noch von Jordanien besetzt, die PA hält die seinerzeitigen Verfügungen jedoch offenkundig weiterhin für verbindlich und orientiert sich auch sonst am Nachbarstaat, wenn sie es für opportun hält. 1997 beispielsweise kündigte sie an, ein jordanisches Gesetz aus dem Jahr 1973 zu übernehmen, nach dem der Verkauf von Land an den „Feind“ – wozu ausnahmslos alle Israelis gezählt wurden – als „Hochverrat“ zu betrachten und mit der Todesstrafe zu ahnden sei.

    Ob dieses Gesetzesvorhaben offiziell umgesetzt wurde, ist unklar. Fest steht aber: Es gab in den vergangenen 30 Jahren eine ganze Reihe von Todesurteilen gegen Palästinenser, die Ländereien an Juden veräußert haben sollen. Wie viele dieser Urteile tatsächlich vollstreckt wurden, lässt sich nicht zuverlässig sagen. Übereinstimmend berichten jedoch so unterschiedliche Quellen wie die BBC, die israelische Tageszeitung Jerusalem Post und selbst die Israel, wie gesagt, wenig wohlgesonnene Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von mehreren Fällen, in denen solche „Kollaborateure der Zionisten“ kurz nach dem jeweiligen Schuldspruch ermordet aufgefunden wurden.

    Dem kurzen Prozess gegen Anwar Breghit vorausgegangen war eine Warnung des obersten islamischen Richters der PA, Scheich Tayseer Rajab Tamimi, der die Palästinenser an eine bestehende Fatwa erinnerte: Ihr zufolge sei es eine „sehr schwere Sünde“, Häuser und Grundstücke an Juden zu verkaufen oder zu vermieten. Dieser Erlass beziehe sich auch auf Immobilienmakler und Mittelsmänner, die an solchen Transaktionen beteiligt sind. Anlass für den Mahnruf des Gottesdieners waren Berichte, nach denen jüdische Geschäftsleute aus den USA 20.000 Quadratmeter Land auf dem Ölberg in Jerusalem von Palästinensern erworben hatten. „Wer die Warnung ignoriert, wird gemäß der islamischen Lehre hart bestraft werden“, ließ Tamimi keinen Zweifel daran, dass die Konsequenzen tödlich sein können. Jerusalem sei schließlich die „geistliche und politische Hauptstadt der Palästinenser“, und „die Juden haben dort keinerlei Rechte“. Hatem Abdel Kader, ein Rechtsberater der im Westjordanland herrschenden Fatah, schloss sich dem Scheich an: Die Erneuerung der Fatwa sei „notwendig“, befand er, denn Jerusalem sehe sich einem „wilden Ansturm“ durch die israelische Regierung ausgesetzt, die die palästinensische Bevölkerung in der Stadt „von 27 auf 12 Prozent reduzieren“ wolle.

    Nach allem, was man weiß, hat weder der alte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier während seiner Reisen in die Westbank noch sein Amtsnachfolger Guido Westerwelle, der im November 2009 zu Gast in Ramallah war, den palästinensischen Gesprächspartnern gegenüber auch nur ein einziges kritisches Wort zu diesen „Verkauft nicht an Juden“-Befehlen und ihren potenziell mörderischen Folgen geäußert. Viel zu sehr waren sie stattdessen damit beschäftigt, mantraartig zu wiederholen, das größte Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden im Nahen Osten sei die israelische Siedlungspolitik. Diese Behauptung ist in nahezu allen politischen Lagern dermaßen selbstverständlich, dass sie keinerlei Begründung mehr zu bedürfen scheint. Folgt man ihr, dann müsste Israel nur seine Enklaven, Außenposten und Grenzdörfer abbauen und könnte fortan in trauter Harmonie mit seinen Nachbarn leben.

    Dabei zeigt schon die jüngere Vergangenheit, dass diese Gleichung nicht aufgeht, schon gar nicht zwangsläufig. Vor neun Jahren beispielsweise bot Ehud Barak während der Verhandlungen von Camp David an, zahlreiche Siedlungen zu räumen; zudem wollte er die nahe der „Grünen Linie“ liegenden Siedlungen – in denen die große Mehrheit der Siedler lebt – ins israelische Staatsgebiet eingliedern und diese Maßnahme durch einen territorialen Austausch mit den Palästinensern abgelten. Die palästinensische Seite unter Yassir Arafat lehnte dieses beispiellos weitgehende Angebot jedoch ab und blies stattdessen zur „Intifada“. Und als Ariel Sharon 2005 die israelischen Siedlungen im Gazastreifen auflösen ließ, bedankten sich die Hamas und andere palästinensische Terrororganisationen dafür mit einem Raketenhagel, der erst infolge der israelischen „Operation Cast Lead“ Ende 2008/Anfang 2009 allmählich zum Erliegen kam. Das heißt, Israel ist einem Dilemma ausgesetzt: Hält es die Siedlungen aufrecht, zieht es sich den Zorn der restlichen Welt zu; baut es Siedlungen ab – oder bietet es diesen Schritt auch nur an –, sehen nicht unerhebliche Teile der arabischen Welt darin ein Zeichen von Schwäche und eine Gelegenheit zur „Befreiung ganz Palästinas“ – von den Juden nämlich.

    Dieser prinzipielle Unwille, Israel anzuerkennen, ist der Kern des arabisch-israelischen Konflikts – und eben nicht die Siedlungsfrage. Selbst wenn der jüdische Staat nur das Stadtgebiet von Tel Aviv umfassen würde, wäre er seinen Feinden noch zu groß. Denn deren Ziel ist nicht eine Zweistaaten-, sondern nach wie vor eine Kein-Staat-Israel-Lösung. Der israelische Historiker Yaacov Lozowick brachte dieses Problem in seinem Buch „Israels Existenzkampf“ auf den Punkt: Seit 1967 übe Israel die Herrschaft über einen großen Teil der palästinensischen Bevölkerung aus, und sein Verhalten sei in vielerlei Hinsicht kritikwürdig, schrieb er. Und weiter: „Dennoch könnte nur ein Narr behaupten, dass sich die Palästinenser in der umgekehrten Situation mit den Maßnahmen, wie sie die Israelis getroffen haben, zufrieden geben würden.“ Wenn die Palästinenser jemals die Herrschaft über die Juden erlangten, werde Palästina, so Lozowick, „ebenso judenrein werden, wie es der größte Teil Europas heute ist: eine kleine Gemeinde hier und dort und Gespenster überall“. Israel habe früher lediglich die nationalen Ambitionen der Palästinenser blockiert, die Palästinenser hingegen bedrohten die nackte Existenz der Juden.

    Ganz bewusst benutzte Lozowick hier ein Wort, das auch der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und sein Außenminister Avigdor Lieberman verwendet haben, als der deutsche Außenamtschef Steinmeier im Juli 2009 zu Gesprächen in Israel weilte und seine Gastgeber für den Siedlungsbau kritisierte: „judenrein“. Dieser Begriff wurde von deutschen Antisemiten Ende des 19. Jahrhunderts kreiert; später gebrauchten ihn die Nationalsozialisten – neben dem Terminus „judenfrei“ – als Euphemismus für die Massenvernichtung. Es mag auf den ersten Blick seltsam anmuten, dass er nun auch von einem israelischen Historiker und israelischen Ministern beansprucht wurde. Doch das geschah, um in aller Deutlichkeit auf die Konsequenz hinzuweisen, die sich aus der geradezu rituell wiederholten Forderung nach einem Stopp und Abbau der israelischen Siedlungen im Westjordanland ergibt. Jenseits der Grenzen Israels verschwendet nämlich kaum jemand einen Gedanken daran, was die Gründung eines palästinensischen Staates für die auf seinem Territorium lebenden Juden bedeuten würde. Von Israel wird selbstverständlich verlangt, ein multinationaler Staat zu sein, in dem Araber als gleichberechtigte Bürger ihren Platz haben. Fast niemand hingegen erhebt die nicht minder selbstverständliche Forderung, dass in einem zukünftigen Palästina auch Juden leben können müssen, wenn sie es wollen, und zwar nicht bloß als geduldete „Dhimmis“, also als Schutzbefohlene unter islamischer Herrschaft.

    Im Gegenteil implizieren nahezu alle Appelle an die israelischen Regierungen, die Siedlungen zu räumen, dass Juden auf palästinensischem Boden prinzipiell nichts verloren haben. Denn die obligatorische völkerrechtliche Argumentation für einen Abzug der Siedler als angeblich unabdingbare Voraussetzung für die Gründung eines palästinensischen Staates geht praktisch nie mit der Versicherung einher, dass ein prospektives Palästina selbstredend eine jüdische Minderheit zu akzeptieren hat. Eine solche Klarstellung mag für überflüssig halten, wer sich auf die Begründung zurückzieht, die Siedlungstätigkeit sei Teil einer illegalen Besatzungspraxis, was aber nicht bedeute, dass jüdisches Leben in einem souveränen palästinensischen Staat grundsätzlich unmöglich sei.

    !
    Doch dieser Standpunkt blendet aus, dass es sich beim Westjordanland genau genommen nicht um ein besetztes, sondern um ein umstrittenes Gebiet handelt. Schließlich wurde es 1948 von Jordanien völkerrechtswidrig annektiert und gelangte erst infolge des israelischen Verteidigungskrieges im Juni 1967 unter israelische Kontrolle. Noch im selben Jahr bot Israel Verhandlungen über die Abtretung der Gebiete an; die arabischen Staaten lehnten dies jedoch auf der Konferenz von Khartum mit dem berühmt gewordenen „dreifachen Nein“ ab: Nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel. Es war dies die alte Position des berüchtigten Muftis von Jerusalem: Keinen Zentimeter des heiligen muslimischen Bodens für einen souveränen jüdischen Staat. Und am besten auch keinen Zentimeter für Juden überhaupt – ein Ziel, das die Hamas in ihrem Herrschaftsgebiet bereits erreicht hat: Der Gazastreifen ist seit 2005 praktisch „judenrein“.

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    Die auf dem Gebiet der Westbank lebende Bevölkerung hingegen besteht zu etwa 20 Prozent aus Juden, die fast alle in Siedlungen wohnen, vor allem in der Nähe der „Grünen Linie“. Diese Minderheit könnte nicht damit rechnen, in einem künftigen palästinensischen Staat auch nur annähernd die gleichen Rechte zu haben wie die Mehrheit. Umgekehrt geht es den in Israel lebenden Arabern, die ebenfalls einen Anteil von rund 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung stellen, deutlich besser. Und das gilt nicht zuletzt für ihre Möglichkeit, in Israel sesshaft zu bleiben. Zwar ist es für sie schwierig, an Haus- und Grundbesitz zu kommen – doch das geht den jüdischen Israelis nicht anders. Denn nur rund sieben Prozent der Liegenschaften sind Privateigentum, während 93 Prozent dem israelischen Staat gehören, der Land grundsätzlich nicht verkauft, sondern nur verpachtet, entweder für 49 oder für 98 Jahre.

    Die Politik der Vergabe von Liegenschaften war in den letzten knapp zehn Jahren mehrmals Gegenstand von juristischen Streitigkeiten, weil sich die arabische Bevölkerung Israels benachteiligt fühlte. Daraufhin ordnete der Oberste Gerichtshof Israels im Jahr 2000 an, dass der Staat die Zuteilung von Land nicht von der Religion oder der Nationalität eines Bewerbers abhängig machen darf. Und der israelische Generalstaatsanwalt Menachem Mazuz entschied im Januar 2005, arabischen Israelis dürften in Bezug auf die Vergabe und Verwaltung von Immobilien keine Nachteile erwachsen. Im Wesentlichen haben also Juden wie Araber in Israel gleich große Chancen auf die Pacht von Grund und Boden. Zudem werden auf kommunaler Ebene regelmäßig Wohnungsbauprojekte vorangetrieben, die arabischen Israelis zugute kommen, wie etwa in Jerusalem: Dort plant die Stadt in ihrem Ostteil gerade 5.000 neue Wohneinheiten für sie. Umgekehrt scheint es nahezu undenkbar, dass ein zukünftiger palästinensischer Staat der jüdischen Minderheit in ähnlichem Maß entgegenkommen würde.[3]

    http://www.mideastfreedomforum.org/de/node/123#Skript

  11. willow said, on April 23, 2010 at 8:19 pm

    @Hartung

    Im Prinzip haben Yael1 und Avram alles Wesentliche gesagt…

    „Das was sie mit der Flüchtlingsrückkehr sagen ist nicht richtig. In den Verhandlungen war von der Flüchtlingsrückkehr in den zukünftigen palästinensischen Staat die Rede. ABer davon abgesehen, internationales Recht wäre, dass die Araber in ihre eigenen Häuser zurückkehren dürften.“

    Nun, internationales Recht gilt aber „eigentlich“ nur für tatsächlich Vertriebene, nicht die Kinder und Kindeskinder und – sie verstehen? Mal ganz davon abgesehen, daß es ja nicht nur für die Proto-Palästinenser Flucht und Vertreibung gab – ihnen ist schon bekannt, daß mehr Juden als Araber vertrieben wurden -oder?- wie sieht es mit deren Rechten aus und den Rechten ihrer Kinder und Kindeskinder? Zumal sich um diese Flüchtlinge nie auch nur eine UN-Behörde gekümmert hat…

    Wobei sich natürlich durch dieses ominöse Rückkehrrecht für alle mit Vertriebenen Verwandten erklärt, warum dann die arabischen Länder zu einer Anerkennung bereit wären – was sollten sie auch gegen die Anerkennung eines mehrheitlich arabisch-muslimischen „Israel“ haben.

    Bestimmt können sie mir erklären, warum von den Juden selbstverständlich erwartet wird, in einem multiethnischen und multireligiösen Staat zu leben – während ebenso selbstverständlich klar zu sein scheint, daß in arabischen Ländern nur muslimische Araber leben dürfen?

  12. Hartung said, on April 29, 2010 at 8:42 am

    Internationales Recht besagt, dass auch alle Nachkommen zurückkehren dürfen.
    Ich weiß, dass mehr Juden vertrieben wurden als Araber. Das kann man als Verhandlungspunkt nehmen, dass die Juden in Israel bleiben und die arabischen Flüchtlinge in einen neuen palästinensischen Staat zurückkehren, so wie es bei allen Friedensverhandlungen zum Ziel gemacht wurde!

    Das mit der Bezeichnung „umstrittenes Gebiet“ ist nicht richtig. Das Gebiet ist jenes, welches von der UN als arabisch festgelegt wurde. Damit ist es kriegsrechtlich besetztes Gebiet. Auf diesem Gebiet befand sich bis zur israelischen Besiedelung eine über jahrhunderte angestammte arabische Bevölkerungsmehrheit. Laut Völkerreich steht ihr das Recht auf Staatsbildung zu.

    Ich weiß, dass man oft einen Unterschied macht. Man muss von den Arabern die Sicherheit der jahrhundertealten jüdischen Gemeinden auf ihrem Territorium verlangen. Bei Hebron ist es z.B. völlig legitim, dass Israel als jüdische Schutzmacht Präsenz zeigt. Das ist völkerrechtlich gedeckt.

    Und wie gesagt, der Unterschied der jüdischen Minderheit in der Westbank zur arabischen Minderheit in Israel ist der, dass es sich bei den meisten Juden nicht um eine angestammte Bevölkerung handelt, was bei einer völkerrechlichten Betrachtung essenziell ist!

    Auch ist Ihre Argumentationsweise fraglich. Ich verweise auf Unrecht, dass durch Israelis begangen wurde und Sie kontern mit „ja, aber“. Kann man Unrecht mit Unrecht rechtfertigen? Ihrer Ansicht, dass die Vertreibung der Juden aus den arabischen Ländern stärker betont werden soll stimme ich jedoch komplett zu!

    Außerdem hat doch Netanyahu versprochen, in den Siedlungen welche laut früheren Verhandlungen nicht zu Israel kommen sollten alle Bauarbeiten einzustellen. Gestern habe ich eine Tour durch Siedlungen von Kfar Adumim über Shilo bis Ariel gemacht. Dort habe ich Fotos von Bauarbeiten und Werbungen für Neuzuwanderer gemacht. Das verstößt sogar gegen das, was von Israel garantiert wurde!

    Lösung des Ganzen kann nur eine ideologiefreie Realpolitik sein. Die Rechtsbrüche der Islamisten dürfen hier nicht zur Rechtfertigung eigener Brüche dienen. Man muss das Gteilen, schlicht und einfach weil es der einzige Weg ist Israel als einen mehrheitlich jüdischen Staat zu erhalten! Ansonsten würde in spätestens 30 Jahren die Mehrheit zwischen Mittelmeer uns Jordan muslimisch sein. Damit wäre das Ende Israels besiegelt, ganz demokratsisch und ohne Waffen…

  13. willow said, on April 29, 2010 at 6:09 pm

    @Hartung:

    „Das mit der Bezeichnung “umstrittenes Gebiet” ist nicht richtig. Das Gebiet ist jenes, welches von der UN als arabisch festgelegt wurde. Damit ist es kriegsrechtlich besetztes Gebiet. Auf diesem Gebiet befand sich bis zur israelischen Besiedelung eine über jahrhunderte angestammte arabische Bevölkerungsmehrheit. Laut Völkerreich steht ihr das Recht auf Staatsbildung zu. “

    „Und wie gesagt, der Unterschied der jüdischen Minderheit in der Westbank zur arabischen Minderheit in Israel ist der, dass es sich bei den meisten Juden nicht um eine angestammte Bevölkerung handelt, was bei einer völkerrechlichten Betrachtung essenziell ist“

    Das ist falsch… die überwiegende Mehrheit der Araber ist in den letzten hundertfünfünfzig Jahren zugewandert – wie auch die Mehrreit der Juden. Wobei aber zu beachten ist, daß auch die Vorfahren der Hälfte der Juden in Israel aus arabischen Ländern vertrieben wurden.

    Auch das mit dem „von der UN als arabisch festgelegt“ ist nur halb richtig… die UN ist ja keine Weltregierung, ihre Resolutionen und anderen Vorschläge müssen „vor Ort“ ratifiziert werden. Israel hat dies getan – die arabische Seite nicht, sie haben den UN-Teilungsplan abgeleht! Damit verblieben Westbank und Gazastreifen inihrem bisherigen völkerrechtlichen Zustand – und das ist eindeutig das Völkerbundmandat.

    Im Völkerbundmandat wurden aber die Gebiete nicht zwischen Juden und Arabern aufgeteilt – dagegen hat der Völkerbund sehr eindeutig festgelegt, daß die Ansiedlung von Juden zu fördern und auch auf „staatlichem“ Land zu ermöglichen ist.

    Dieses „umstrittene“ Gebiet wurde von Jordanien und Ägypten erobert -warum wurde kein Palästinenserstaat gegründet?- aber bekam dadurch keinen völkerrechtlich anerkannten neuen Status – oder wurden die Gebiete jemals als Teile Jordaniens bzw. Ägyptens anerkannt?

  14. Hartung said, on April 30, 2010 at 11:56 am

    Bevor ich auf Ihre Antwort tiefer eingehe moechte ich zunaechst Belege fuer die Festlegungen des Voelkerbundes zur Ansiedelung von Juden auf staatlichem Gebiet.

    Ausserdem moechte ich wissen, um welches staatliches Gebiet es sich hier handelt.

    Dann moechte ich noch erlauetert haben, in wieweit das Gebiet Palaestina jemals unter Voelkerbundsverwaltung war.

    Ausserdem gilt Ihr Argument mit der Zuwanderung von Arabern nicht, denn VOR der Zuwanderung der Juden war die Bevoelkerung bereits mehrheitlich arabisch!

  15. willow said, on Mai 1, 2010 at 9:20 am

    Vielleicht nicht die fairste und umfassendste Darstellung zum Thema, aber selbst der Wikipediaeintrag kann ihre Fragen problemlos beantworten:

    http://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerbundsmandat_f%C3%BCr_Pal%C3%A4stina

    „Ausserdem gilt Ihr Argument mit der Zuwanderung von Arabern nicht, denn VOR der Zuwanderung der Juden war die Bevoelkerung bereits mehrheitlich arabisch!“

    Nun, es ging um die Aufteilung des zusammengebrochenen Osmanenreiches und dieses Reich war ein Vielvölkerstaat. Die Kemalisten wollten daraus eine rein türkische Türkei machen, was durch Vertreibung und Vernichtung der nationalen Minderheiten bewerkstelligt wurde. Demnach schien es dem Völkerbund angebracht, diesen Völkern nationale Heimstätten einzurichten. Da die Juden ca. 7% der Bevölkerung des osmanischen Reiches stellten, wurde auch ihnen ein Stückchen Land zugedacht… was ist daran ungerecht!?

    Sie haben durchaus Recht, der Nahe Osten war mehrheitlich arabisch besiedelt – auch wenn dort aus nachvollziehbaren gründen immer Juden gelebt haben. Allerdings war die Gegend derart dünn besiedelt, daß eigentlich genug Platz für Juden und Araber vorhanden war. Die Aufteilung „drei Viertel für die Palästinenser – ein Viertel für die Juden“ scheint mir ziemlich angemessen – die ca. drei Viertel des Mandatsgebietes nennt man heute Jordanien…

  16. Joachim said, on Oktober 2, 2011 at 1:39 am

    Also ich habe bisher gar nicht wahrgenommen, dass die Beziehung so angespannt ist. Das kommt bei den öffentlichen Terminen immer alles so friedlich daher. Aber diese ausführlichen Hintergründe hier geben doch schon einen weit tieferen Einblick hinter die Kulissen.


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